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diesen die Möglichkeit offen lassen, dass mit Zustimmung der
Partei auch Verwaltungsgerichte von einem formell rechtskräftigen
Urteil abweichen können. Allein wie die Sache für den sächsi-
schen Gesetzgeber liegt, ist darin für ihn keine Lücke gegeben.
Denn nach der Abgrenzung der Verwaltungsstreitsachen, wie er
sie getroffen hat, sind tatsächlich nur Entscheidungen dazu ver-
wiesen °°, Verfügungen in Urteilsform gibt es nach sächsischem
Rechte nicht. Also war für ihr besonderes Verhalten gegenüber
der Rechtskraft nichts vorzusehen.
Aber soweit das Recht am Urteil mit der daranhängenden
relativen Rechtskraft für seine Ordnung der Verwaltungsrechts-
pflege überhaupt in Betracht kommen kann, hat es der sächsische
Gesetzgeber förmlich anerkannt, indem er die markanteste und
entscheidendste praktische Schlussfolgerung daraus sanktionierte.
Das sächsische Gesetz stellt die jüngste Ordnung vor, welche
die Verwaltungsrechtspflege in Deutschland gefunden hat. Es ist
das erste, das zu dem Problem der Rechtskraft in Verwaltungs-
sachen mit vollem Bewusstsein und in voller Absichtlichkeit Stel-
lung nimmt. Es tut das, nachdem die Lehre von dem Recht am
Urteil literarisch bekämpft worden war, mit wenig sachlichen
Gründen zwar, aber mit desto mehr Eifer und jedenfalls mit
einem gewissen Aufsehen. Das muss die Bedeutung der hier
ergangenen Entscheidung wesentlich erhöhen. —
Minder wichtig, aber doch recht bezeichnend für die Sach-
lage ist ein anderes Zeugnis für die relative Rechtskraft, welches
gelegentlich des 26. Deutschen Juristentages abgelegt worden ist.
Das ist, wie mir scheint, nicht mit klarem Bewusstsein geschehen,
aber gerade das macht es so beweiskräftig: das Recht am Urteil
liegt in der Luft und drängt sich auch Widerwilligen auf.
BERNATZIK nämlich in seinem Gutachten hat mich zunächst,
wie schon früher erwähnt, sehr hart angelassen wegen meiner
—
° Sächs. Ges. v. 19. Juli 1900 $ 21, $ 76.
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