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Die Tendenz der Sammlung, als Leitfaden für das akademische Studium
zu dienen, ist auch für die Anordnung des Stoffes massgebend ge-
wesen. Diese irt, abgesehen von gewissen Partien allgemeinen Charakters,
als staatliche Embleme, Titel, Wappen, Hofstaat etc. im ganzen chronolo-
gisch. Es wird uns die Entwicklung der österreichischen Verfassung, be-
ginnend mit dem Jahre 1848 bis auf die jüngste Zeit vorgeführt und zwar
gruppenweise. Die einzelnen Abschnitte enthalten als Mittelpunkt die grund-
legende Norm, an welche sich dann die mit dieser zusammenhängenden Re-
gelungen synchronistisch anschliessen. So enthält z.B. Abschn, IV „Pillers-
dorf’sche Verfassung“ nebst der Verfassungsurkunde vom 25. April 1848
selbst sämtliche wichtigere Staatsakte, welche die Bewegung des Jahres
1848 hervorgebracht hat, besonders auch die Proklamation, betreffend die
Wahl des konstituierenden Reichstages und den Kremsierer Verfassungsent-
wurf. Der erläuternde Text gibt aber eine Uebersicht der staatsrechtlich
wichtigen Ereignisse dieser Epoche, vom Patente von 15. März 1848 betref-
fend die Erlassung einer Konstitution angefangen bis zur Auflösung des
Kremsierer Reichstages und Erlassung der oktroyierten Verfassung vom
21. März 1849.
Von besonderem Interesse ist der Abschnitt XI, welcher das staats-
rechtliche Verhältnis zu Ungarn behandelt. Wir finden hier
namentlich im Texte gewisse Begriffe erläutert, welche im Laufe der lang-
jährigen Ausgleichsverhandlungen zwischen den beiden Reichshälften zu
Schlagworten geworden sind, die häufiger gebraucht als verstanden werden,
wie „Ueberweisungsverkehr*“, „Reciprocität“, „ungarischer Rentenblock“ etc.
Leider hat die Beschrärktheit des Raumes manche Partien, namentlich die
Landesverfassungsgesetze etwas kurz ausfallen lassen. Die
gleiche Rücksicht kann dagegen für die weggebliebene autonome Geschäfts-
ordnung der beiden Häuser des Reichsrates kaum geltend gemacht werden,
deren Aufnahme schon wegen der daselbst vorgezeichneten Regelung man-
cher aktueller Frage, z. B. des Sprachengebrauches im parlamentarischen
Verkehre, erwünscht gewesen wäre. Wenn eine neue Auflage, die wohl in
Anbetracht des neuen Ausgleiches mit Ungarn nicht lange auf sich wird
warten lassen, auch ein etwas detaillierteres Sachregister bringt, wird die
Arbeit BERNATZIKs, die sich schon in kurzer Zeit mit Recht eine grosse Po-
pularität verschafft hat, ihre Stellung in der österreichischen Rechtslitera-
tur noch festigen. —
Die im Manz’schen Verlage in vierter Auflage erschienene Samm-
lung der ungarischen Verfassungsgesetze von dem bewährten
Kenner des ungarischen Verfassungsrechtes Dr. GuUsTAY STEINBACH bringt
insoferne eine Bereicherung gegenüber den früheren Auflagen, als mehrere
der staatsrechtlich wichtigen Normen der letzten Jahre Berücksichtigung gefun-
den haben, Es wurden neu aufgenommen: die Inartikulierung der feier-
lichen Erklärung des Erzherzogs Franz Ferdinand betreffend die