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gesetzliche oder von ihm übernommene Verpflichtung zum Dienst erfüllt
haben würde. Wenn man mit SCHLAYER an der nicht unbestritten ge-
bliebenen Ansicht festhält, dass die Fahnenflucht ein Dauerdelikt sei —
unter Voraussetzung natürlich des Fortbestehens der Absicht dauernder
Dienstentziehung — so würde dies Dauerdelikt erst mit dem Ende der
Zugehörigkeit zum aktiven Heere zu verjähren anfangen können, also unter
Umständen erst nach dem im $ 76 bezeichneten Zeitpunkt. Die hieraus
sich ergebenden Folgerungen und Streitfragen, z. B. ob die Zugehörigkeit
der aktiven Mannschaften zum aktiven Heer mit dem 39. oder 45. Lebens-
jahre oder noch später endigt, sind auch bei SCHLAYER noch nicht voll
entwickelt.
Die Militärgerichtsbarkeit betrachtet SCHLAYER, m. E. zutreffend, als
Ausfluss der Kommandogewalt, nicht als Ausübung der dem militärischen
Befehlshaber delegierten Justizhoheit des Staates. Dazu passt allerdings
nicht, dass er eine „Zurechtweisung“ des Gerichtsherrn durch die Militär-
justizverwaltung, die ja keine Kommandobehörde ist, für zulässig erklärt.
Hinsichtlich der Mitprüfung der Verfügungen des Gerichtsherrn unter-
scheidet er nicht zwischen der rechtlichen und tatsächlichen Seite. Die
Unterscheidung ist in der Tat unzulässig So neuerdings auch M. E.
Mayer in der DJZ. In der Hauptverhandlung handelt der Vertreter der
Anklage nach SCHLAYER selbstständig nach pflichtmässigem Ermessen,
ohne an Weisungen des Gerichtsherrn gebunden zu sein. Ob sich diese
Bemerkung nur auf die Beweiswürdigung oder auch auf die rechtliche
Beurteilung beziehen soll, ist leider nicht klar erkennbar gemacht. Das
von SCHLAYER angenommene Rügerecht des Gerichtsvorsitzenden gegen-
über dem Anklagevertreter ist immerhin zweifelhaft.
Kriegsgerichtsrat Dr. Rissom.
Albert Zorn, Grundzüge des Völkerrechts. 2. vollst. neu be-
arbeitete Aufl. Mit Vorwort von Dr. Philipp Zorn. Leipzig. J.J.
Weber. Klein-8. 315 S.
In der Fülle der neuen Produktionen auf dem Gebiete des Völkerrechts
spiegelt sich die geistige Disposition unsrer Zeit, die Entgegengesetztes
mit gleichem Eifer erfasst, Behauptung wie Verneinung zunächst als Be-
friedigung entwickelten Bildungsbedürfnisses entgegennimmt und damit
zwar das Geistesleben bereichert, aber das Kollektivbewusstsein verwirrt.
Wer im tapfern Verneinen nicht immer das Neue um des Neuen willen
bewundert und andererseits auch nicht in allen Punkten auf die „herr-
schende Lehre“ eingeschworen ist, hat es wirklich nicht leicht, seine Stel-
lungnahme der vorliegenden neuen Erscheinung gegenüber sich selber und
anderen völlig klarzulegen. Denn das flott und klar geschriebene hand-
liche Buch geht mit gutem Verständnis auf alle im Vordergrunde des zeit-