Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 22 (22)

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ist, ein Beweis dafür, dass es sich hier doch um die Befriedigung 
von Bedürfnissen handelt, welche, wenn sie auch nicht mit voller 
Wucht und Klarheit hervortraten, dennoch in der Gestaltung 
des politischen Lebens Oesterreichs tief begründet waren. Und 
in der Tat zeigt ein Rückblick auf die Entwicklung des Parla- 
mentarismus in Oesterreich die Unhaltbarkeit der bis- 
herigen Organisation des parlamentarischen Wahl- 
rechtes 1, 
Als durch das Patent vom 26. Februar 1861 und die gleich- 
zeitig erlassenen Landesordnungen die parlamentarische Organi- 
sation in Oesterreich geschaffen wurde, entsprach dieselbe den 
Anschauungen der Zeit. Das allgemeine Wahlrecht hatte, von 
Frankreich abgesehen, in Europa noch nicht Boden gefasst; in 
den deutschen Staaten beruhte das Wahlrecht aber entweder auf 
plutokratischer Grundlage eines Steuerzensus oder auf der ständi- 
schen Gliederung der Bevölkerung. Ihre theoretische Stütze 
findet aber diese Organisation in der damaligen, namentlich deut- 
schen Staatslehre !?, 
Die den Landtagen übertragene Wahl der Abgeordneten 
für den Reichsrat und die Einteilung der zur Landtagswahl be- 
rechtigten Wählerschaft in vier der ständischen Gliederung der 
Gesellschaft nachgebildete Gruppen (Wählerklassen, Kurien), 
nämlich Grossgrundbesitz !?, Städte und Industrialorte, Handels- 
'! Die nachstehende Ausführung ist zum grossen Teile dem Berichte 
des Wahlreformausschusses (Berichterstatter Abg. LöcKER) entnommen (Beil. 
Nr. 2727 Sten. Prot. Abg.H. XVII. Sess.). 
= STAHL, Rechts- und Staatslehre 1II, bes. $ 97, Monat, Enzyklopädie 
der Staatswissenschaften, 2. Aufl. S. 237 ff,, Staatsrecht, Völkerrecht und 
Politik I. 405 ff. ; ferner BLUNTSCHLI, Politik, X. Buch, SCHÄFFLE, GNEIST etc, 
Von den ausserdeutschen Anhängern eines „organischen“ Wahlrechtes noch 
bes. J. St. MırL, Considerations on representative government, Ch. VIII 
und Ch. BEnoıst, La crise de l’Etat moderne 1897. Vgl. dazu G. Mexx, 
das parlamentarische Wahlrecht, dann A. MEnZzELs Vortrag: die Systeme des 
Wahlrechtes, neue Ausg., Wien 1906. 
13 Mit Ausnahme von Dalmatien (Kurie der Höchstbesteuerten) und 
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