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und Gewerbekammern, Landgemeinden — der Episkopat hatte
seine Vertretung durch Virilstimmen in der ersten Kammer, dem
Herrenhause — drückten derselben den Stempel der histori-
schen Interessenvertretung auf, den die Organisa-
tion des Reichsratswahlrechtes seither beibehielt. Das Wahlrecht
war in jeder der vier Wählerklassen an gänzlich verschiedene
Voraussetzungen geknüpft und auch je nach den Landesverfas-
sungen innerhalb der gleichen Wählerklassen verschieden. Die
Uebertragung der Wahl der Reichsratsabgeordneten an die Land-
tage machte das Landtagswahlrecht zugleich zum Reichsrats-
wahlrechte. Da ferner das Landtagswahlrecht hinsichtlich der
Städte- und Landgemeindenkurie auf dem Gemeindewahlrechte
fusste, so war schliesslich das Wahlrecht für de Gemeinde,
verschieden in den verschiedenen Ländern, zum grössten Teile
auch die Grundlage des Reichsratswahlrechtes.
Bei dem verhältnismässig hohen Wahlzensus in den Gemeinden
war in der Städte- und Landgemeindenkurie nur eine verhält-
nismässig geringe Anzahl von Personen wahlberechtigt. So traten
in den Städten bloss 161 662 Wähler an die Urne; in sämtlichen
Landgemeinden betrug aber die Zahl der Urwähler — das Wahl-
recht war hier ein indirektes — 1066020, ein Verhältnis, das
sich durch die Herabsetzung des Steuerzensus für die Städte-
und Landgemeindenwähler zu Anfang der Siebzigerjahre nur wenig
änderte.
Entwicklungsfähig wurde das Reichsratswahlrecht erst, als
durch das nach schweren Krisen, gegen den heftigsten Wider-
stand der föderalistischen Parteien zustande gekommene Gesetz
vom 2. April 1873 an Stelle der indirekten Wahl der Reichs-
ratsmitglieder durch die Landtage das direkte Reichsrats-
wäahlrecht unter gleichzeitiger Erhöhung der Zahl der Ab-
geordneten von 203 auf 353 getreten war; dadurch sollte das
Vorarlberg in Tirol besteht neben einer Prälatenkurie die Kurie
des adeligen Grossgrundbesitzes.