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Unterbedingung für -die Bedingung: der. Gegenseitigkeit. So wird
gerade die exakte Beobachtung der Klausel in dem deutschen
Auslieferungsrecht zum Beweis dafür, dass man durch sie dem
Gedanken der Reziprozität gerecht werden wollte, dass diese in
der Klausel zum Durchbruch und Ausdruck gekommen ist.
82. Die Klausel der Strafbarkeitim ersuchten
Staat.
32. Die Gegenseitigkeit zwingt, solange man sie als mass-
gebend anerkennt, bei Abschluss eines Auslieferungsvertrages
und bei seiner Auslegung nur die Handlungen der Auslieferung
zu unterwerfen bezw. als ihr unterworfen anzusehen, für welche
die zweiseitige Strafbarkeit feststeht. In dieser Beziehung ist
es vielfach nur eine ungenaue Ausdrucksweise, wenn ıman sagt,
das Strafrecht des ersuchten Staates sei massgebend;; es ge-
nüge, dass die Tat, deren Verbrecher ausgeliefert werden solle,
nach dem Recht des angegangenen Staates strafbar sei. Man
setzt dann als selbstverständlich voraus, dass nach dem Rechte
des ersuchenden Landes Strafbarkeit gleichfalls gegeben
ist, da dieses sonst eine Strafverfolgung überhaupt nicht einleiten
und so insbesondere auch keine Auslieferung beantragen könne !
Diese Voraussetzung ist im allgemeinen begründet. Es ist in
der Tat nicht denkbar, wie ein Staat, der keinen Strafanspruch
hat, die Auslieferung jemandes begehren sollte. Da es in dem
heutigen Strafrecht ein elementarer Gedanke ist, dass man nur
bestrafen kann, was gesetzlich für strafbar erklärt war, ehe die
Tat begangen wurde, so bleibt für einen gewillkürten Strafan-
spruch kein Raum. Ausserdem würde zu einer solchen Straftat
13 So ist wohl zu verstehen MACHADO p. 604 für Portugal; so mus»
verstanden werden OLIVIER ET ERNST p. 300 notel für Belgien, denn das
belgische Auslieferungsgesetz bindet an die Reziprozität und damit an die
Klausel beiderseitiger Strafbarkeit. Erst wenn der Vertragsgegner auf die
Reziprozität verzichtet, was niemals vermutet werden kann, genügt für den
belgischen Standpunkt belgische Strafbarkeit.