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eine tatsächliche Revision und Korrektur des ausländischen Ur-
teils unter Umständen unvermeidlich ist. Reine Retorsion ist es,
wenn die deutschen Staaten im entsprechenden Fall ganz das
sleiche umständliche Verfahren beobachten!?. Auf derselben
Linie läge es, wenn die preussische Regierung bei Durchlieferungen,
für deren Bewilligung in England und Amerika ein vollständiges
Auslieferungsverfahren eingeleitet wird, diesen Staaten gegenüber
in derselben Weise vorginge !?!., Retorsion ist es, wenn der preus-
sische Justizminister das ausserordentlich schwerfällige Zustel-
lungsverfahren, das in Ungarn gehandhabt wird, bei ungarischen
Ersuchen gleichfalls zur Anwendung bringen lässt!?”?. Diese
Retorsion ist nichts anderes als Reziprozität. Der Staat, der
ein freieres Verfahren zu üben pflegt, verumständlicht es nur,
weil der Vertragsgegner ihm gegenüber ein engeres System be-
folgt. So wird auch das formelle Auslieferungsrecht mit seinen
Anhängseln von der Gegenseitigkeit beherrscht. Wo die Rechts-
hilfe, wie das im Deutschen Reich Regel ist, ganz allgemein
ausser allen Spezialvoraussetzungen nur geleistet wird, wenn die
Straftat, auf die sie sich bezieht, auch im Deutschen Reich straf-
bar wäre123, steht das prozessuale Extraditionsrecht insoweit
in vollständiger Parallele zum materiellen. Was hier für den
Eintritt der Verpflichtung Bedingung ist, wird auch dort die
Voraussetzung. Darin sind beide Teile des Auslieferungsrechts
eng mit einander verknüpft.
120 DELIUS in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Bd. 11 8. 699.
121 Denıus in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Bd. 11 8. 697.
122 Deus in der Zeitschrift für internationales Privat- und öffentliches
Recht Bd. 11 S. 164, 165. Vgl. die allgemeine Verfügung vom 15. Mai
1904, betreffend die Zustellung ungarischer Schriftstücke, im Preuss. Justiz-
ministerialblatt 1904 S. 130.
123 DeLius in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Bd. 16 8. 289, 295.
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