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sion gegen die in Betracht kommenden Reate ergeben !?”. Wie
sorgfältig und umständlich man grade bei den dahingehenden
Feststellungen verfahren ist, beweist das eigenartige Bild, welches
das materielle Auslieferungsrecht bietet. Dabei ist jedoch nicht
zu übersehen, dass auch bei dem, was die Konventionen selbst als
strafrechtlich gleich bedeutsam ansehen, wofür sie gleichzeitig
bei ihnen entsprechende Interessen an der Wirksammachung des
Strafanspruchs voraussetzen, eine gewisse Nachgiebigkeit herr-
schen kann und tatsächlich herrscht. Demgegenüber ist das zu
eng aufgestellte Prinzip machtlos und wertlos. Wo der Wort-
laut der Verträge unzweideutig und erschöpfend ist, lässt sich ihm
mit dem Grundsatz der Uebernahme gleich interessanter Ver-
pflichtungen nichts abgewinnen !?®, Man könnte demnach geneigt
sein, der Reziprozität jeden praktischen Wert abzusprechen, so-
bald ein Vertrag einmal abgeschlossen ist. Und das hat man auch
getan!?®. Wenn die Interessen der Beteiligten, beiderseitig auf
die Schalen einer Wage gelegt, nie das Zünglein auf Null setzen,
sondern immer einen Ausschlag nach der einen oder anderen
Seite hervorrufen, dann möchte man überhaupt ein Prinzip, wel-
ches das Gleichgewicht betont, ablehnen. In seiner Allgemein-
heit wäre aber der Schluss verfrüht. Nicht überall sind die Ver-
träge in ihrer Fassung zweifellos, fast nirgends ist ihr Wortlaut
erschöpfend. Dann hat die Auslegungstätigkeit einzusetzen, und
137 LAMMASCH, Auslieferungspflicht S. 181 sagt: „... Die Reziprozität
darf... überhaupt nicht rein äusserlich verstanden werden, sondern sie
soll verwirklicht werden in dem Werte der von beiden Staaten einander
gemachten Zugeständnisse.‘‘ Als Beispiel dafür weist er auf den oben Ziff. 38
besprochenen Auslieferungsfall im Vertrage mit Spanien und Uruguay hin.
Dem kann zugestimmt werden. Aber woran soll der Wert der Zugeständ-
nisse gemessen werden? Darauf wird man mit den Verträgen antworten
müssen, dass das kriminelle Gewicht des strafrechtlichen Anspruchs für den
Wert massgebend ist.
138 Siehe oben Ziffer 36.
19 DeELIUS sagt im Archiv für Öffentliches Recht Bd. 6 S. 410: „Die
Forderung der Reziprozität, von welcher natürlich nur beim Fehlen eines
Vertrages die Rede sein kann... .*
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