Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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Denn die Konutersche Definition des Prozesses ist m. E. nicht richtig. 
Nach meinem Dafürhalten ist der Prozess nicht ein in der Fortschreitung 
begriffenes Rechtsverhältnis, sondern eine Handlung, ein Rechtsgeschäft des 
Staates. Der Begriff des Rechtsverhältnisses deutet auf etwas Zuständ- 
liches hin; das „Fortschreiten“ des Rechtsverhältnisses ist nichts anderes 
als die fortwährende Ersetzung der bisherigen Rechtsbeziehungen durch 
andere. Dieser Ersatz tritt ein durch ein Element der Bewegung, durch 
Handlungen. Das Rechtsverhältnis ist aber ein Moment der Ruhe. Durch 
den Prozess entstehen Rechtsverhältnisse. Der Prozess setzt auch schon 
zu seiner Entstehung gewisse Rechtsverhältnisse voraus, Rechtsverhältnisse 
privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Natur. 
Diese Grundlagen des Zivilprozesses finden bei KOHLER nicht die ge- 
nügende Beachtung. Er kann auf dem Fundamente, das er gelegt hat, 
nicht weiter bauen! So wird der Grundriss — wie auch andere, die den- 
selben Gegenstand behandeln, eine Sammlung von Einzelthesen, die nur 
durch ein loses systematisches Band verbunden sind. 
So stellt z. B. KoHLER wie alle Zivilprozessbücher den Satz ohne Be- 
gründung hin: index ne procedat ex officic. Wenn KOHLER die dem Pro- 
zesse zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse wirklich konstruiert hätte, so 
ginge dieser Satz logisch aus dem Ganzen hervor. Gerade der Anfänger 
muss doch lernen, warum das so ist! Was fangen wir mit einer Rechts- 
vergleichung an — wenn wir nicht fragen: warum ist es hier so und hier 
80? Der Satz i.n. p. e. o. folgt daraus, dass der Staat im Zivilprozesse 
Angelegenheiten der Parteien besorgt, welche der alleinigen Verfügung der 
Parteien unterstehen, weil er mit dem Zivilprozesse in fremde Rechts- 
sphäre eingreift, wozu er einen gesetzlichen Titel braucht. Und da dieses 
Eingreifen hauptsächlich im Interesse der Parteien erfolgt, daher mit Not- 
wendigkeit die Verhandlungsmaxime! 
Das Prozessverhältnis besteht nach KOHLER darin, dass der Beklagte 
verstrikt wird, d. h. Objekt der Prozesshandlungen wird. Es entsteht 
infolge des Prozesses ein Rechtsverhältnis zwischen Gericht, bezw. Staat, 
Kläger und Beklagten jedoch ist nicht dieses Rechtsverhältnis der Pro- 
zess. Nur daraus, dass dem Prozesse ein materiellrechtlicher Antagonis- 
mus der Parteien zugrunde liegen muss, kann man den Grundsatz der Duali- 
tät der Parteien ableiten (S. 15, II). Der Streit setzt immer eine Dualität 
voraus. Der Prozess hat aber zur Voraussetzung einen Streit. 
Warum sagt KoHLer 8. 16, I nicht einfach: die Rechtsfähigkeit im 
Prozesse = Parteifähigkeit ist keine andere als die des bürgerlichen Rechtes. 
Ausnahme $ 50 Abs. 2. Diese Ausnahme beruht auf dem Bestreben nach 
Vereinfachung des Rechtsverkehres, bezw. Erleichterung der Rechtsverfol- 
gung. Auch hier fehlt es wieder an den konstruktiven Grundlagen: die 
Prozesshandlungen sind eben Rechtsgeschäfte 
Die Rechtsstellung der Parteien im Prozesse ist nicht genügend ersicht-
	        
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