Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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denn auch kein blosser Zufall sein dürfte, dass VICTOR FRICKER der ein- 
zige juristische Autor ist, dessen Name in der Schrift selbst ausdrücklich 
genannt wird. Es sei mir gestattet, auf diese gebietsrechtlichen Erörte- 
rungen etwas näher einzugehen, zumal ich mich selbst mit diesem Gegen- 
stand ex professo beschäftigt habe (Band XX S. 313 ff. und Band XXII 
S. 416 ff. dieser Zeitschrift) und eine Klärung der diesfälligen Ansichten dringend 
erwünscht ist. Der Verfasser legt dem Staate ganz wie FRICKER nur eine 
Herrschaft über Personen d. i. über seine Angehörigen und die auf seinem 
Gebiete weilenden Fremden bei. Das Staatsgebiet sei zwar für den Staat 
unentbehrlich, aber keineswegs Gegenstand einer besonderen staatlichen 
Herrschaft. (S. 12 und 13.) Damit kann ich mich vollkommen einverstan- 
den erklären. Der Irrtum, in den der Verf. gleich FRICKER und dessen 
sämtlichen Anhängern verfällt, besteht nun aber darin, dass die Gebiets- 
hoheit, weil sie nicht mehr als Herrschaft über das Gebiet, nicht mehr 
als Eigentum oder überhaupt als Sachenrecht anzusehen ist, als selbstän- 
diger Begriff gar keine Existenzberechtigung mehr haben soll und mit dem 
im Gebiete ausgeübten Imperium einfach konfundiert wird. Ich habe dem- 
gegenüber gezeigt, dass (ebietshoheit nichts anderes als die örtliche Kom- 
petenz des Staates ist, dass sie daher nicht mit dem Imperium identisch, 
sondern nureine Voraussetzung desselben ist, und zwar keineswegs 
die einzige, da bei sämtlichen Akten des Imperiums auch noch die sach- 
liche Kompetenz (Justiz-, Finanz-, Polizei-Hoheit usw.) gegeben sein muss, wäh- 
rend bei einzelnen dieser Akte — man denke insbesondere an die Aufer- 
legung der Wehrpflicht — an Stelle der örtlichen die personelle Kompe- 
tenz tritt, die nichts anderes als die richtig verstandene Personalhoheit ist. 
Weiterhin behauptet der Verf., dass das Staatsgebiet — das Inland — 
ein absoluter und schlechterdings eindeutiger Begriff sei, während verschie- 
dene Ausprägungen des Begriffes Ausland existieren (S. 13). Das ist aber 
doch schon vom Standpunkt der formalen Logik unhaltbar. Inland und 
Ausland sind ja kontradiktorische Gegensätze; wenn einer dieser Begriffe 
ein „relativer“ ist, so muss es der andere auch sein. Und in der Tat kann 
ein Teil der Erdoberfläche in einer Beziehung Inland, in anderen Beziehungen 
Ausland sein. So gibt es ein Zoll-Inland und ein Zoll-Ausland, so kann 
das Küstenmeer in einer gewissen Entfernung vom Ufer hinsichtlich der 
Neutralitätspflicht schon zum Inland, hinsichtlich der Sanitätspolizei, der 
Zollbehandlung, des Fischereivorbehaltes aber noch zum Ausland gehören 
oder umgekehrt. Infolge seines „absoluten und schlechterdings eindeutigen“ 
Begriffes vom Staatsgebiet versteigt sich aber der Verf. zu der noch küh- 
neren Behauptung, dass Kolonien schlechthin dem Ausland zuzurechnen 
sind und dass die Kolonialherrschaft des Mutterlandes durchgehends eine 
völkerrechtliche ist (S. 58). Es besteht also für ihn kein Unterschied zwi- 
schen dem Verhältnis Englands zu Canada und seinem Verhältnis zu den 
Vasallenstaaten Indiens, zwischen dem Verhältnis Frankreichs zu Algier
	        
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