Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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zu denken. So kommt man zu einer zweiten, laxeren Vorstel- 
lung von der Gegenseitigkeit. Es ist die Form, die das geltende 
Recht ausschliesslich verwertet: eine empirische, konkrete 
Reziprozität im Gegensatz zu der ideellen, abstrakten. Lässt 
diese gar keinen Spielraum, stellt vielmehr gleichsam einen be- 
stimmten Punkt dar, gestattet die empirische Reziprozität etwas 
mehr Bewegungsfreiheit; sie bildet sich einen Kreis, aber einen 
möglichst kleinen. Die Tendenz ist durch zentripetale Kräfte 
bedingt, geht stets auf Einengung, auf den Mittelpunkt hin. 
Wie gross aber der Kreis äusserstenfalls sein darf, das anzu- 
geben, bereitet fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Darum 
pflegen die Staaten in vielen Fällen durch Einzel- oder Kollek- 
tivverträge das Vorhandensein der Reziprozität festzustellen, ein 
Verfahren, bei dem man aber einen wirklichen Massstab auch 
nicht hat und im wesentlichen willkürlich vorgehen muss!®, Oder 
  
  
deutschen Bund nebst Motiven und Anlagen. Separatabdruck aus den amt- 
lichen Aktenstücken des Reichstags“. Berlin 1870) äussern sich darüber 
nicht, wie sie überhaupt die „feindlichen Handlungen gegen befreundete 
Staaten“ mit einer flüchtigen Bemerkung abtun. Siehe aber z. B. BINDING, 
Handbuch 8. 592: „den Grund ihres [der Gegenseitigkeit] Erfordernisses 
bildet die völkerrechtliche Gewohnheit, nur Zug um Zug zu gewähren, die 
ihrerseits wieder mittelbarer Zwang zu internationalen Gewährungen sein 
möchte“. 
18 Vgl. z. B. die Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich 
und Belgien wegen gegenseitiger Zulassung der beiderseitigen Staatsan- 
gehörigen zum Armenrechte vom 18. Oktober 1878 im Preussischen Justiz- 
ministerialblatt 1879 S. 105 und die Allgemeine Verfügung vom 15. Juli 
1891, betreffend die gegenseitige Zulassung von preussischen und 
niederländischen Staatsangehörigen zum Armenrecht im Preuss. Ju- 
stizministerialblatt 1891 S. 200. Diese Einzelabmachungen sind ersetzt durch 
die Artikel 20 bis 23 des Haager Abkommens über den Zivilprozess vom 
17. Juli 1905, wonach die Gegenseitigkeit bezüglich des Armenrechts (deutsche 
Zivilprozessordnung $ 114) durch Gleichstellung der Ausländer und Inländer 
in denjenigen Vertragsstaaten verbürgt ist, die überhaupt das Armenrecht 
kennen. Siebe v. LiszTr, Vöhkerrecht S. 259 und die Zeitschrift für inter- 
nationales Privat- und öffentliches Recht Bd. 18 (1908) 8.487 fg. Hier lag 
die Feststellung der Gegenseitigkeit übrigens verhältnismässig einfach.
	        
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