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In einzelnen Fällen hat der Staat auch die Entschädigung
des Privaten übernommen, der durch rechtmässige Ausübung der
staatlichen Gewalt Schaden leidet, so bei der Zwangsenteignung,
der Entschädigung wegen unschuldiger Verurteilung und wegen
unschuldig erlittener Untersuchungshaft 5°”. Wie aber, wenn der
Beamte unter Verletzung seiner obrigkeitlichen Befugnisse, also
widerrechtlich, durch eine Amtshandlung einem Dritten Schaden
zufügt? Der Dritte kann sich hier nicht, wie im Privatrecht,
auf Willenserklärungen des Staats, d. h. seiner Organe berufen;
er kann nicht Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis herleiten,
dessen Inhalt für beide Teile gleich bindendes Recht darstellt,
denn ein Rechtsverhältnis im Sinne des Privatrechts besteht nicht
zwischen dem Staat als Träger öffentlicher Gewalt und dem Pri-
vaten. Dabei ist die Gefahr der Entstehung von Schaden durch
rechtswidrige Handlungen eines obrigkeitlichen Beamten beson-
ders gross, denn der einzelne wird häufig genug nicht wagen,
vielleicht überhaupt nicht im Stande sein, gegen eine durch
die Autorität des Staats zunächst gedeckte, rechtswidrige, schä-
digende Amtshandlung sich zu schützen.
Ob man den Staat in dieser seiner hoheitsrechtlichen Funk-
tion für Missgriffe seiner Beamten, die nach der herrschenden
Lehre stets ein fremdes, nicht eigenes Verschulden des Staats,
wie es zum Teil aus privatrechtlichem Gebiet angenommen wird,
darstellen, haftbar machen könne bezw. solle, war zurzeit der
Beratung des BGB. noch sehr bestritten, und es hat sich auch
heute noch keine einheitliche Meinung darüber gebildet °°.
5? Doch beruht diese Entschädigungspflicht des Staats nicht auf einem
allgemeinen Grundsatz, sondern besteht nur nach Massgabe ausdrücklicher
Gesetzesvorschrift ; s. GEORG MEYER-ANnSCHÜTZ, Lehrb. d. deutsch. Staats-
rechts, 6. Aufl. 05 S. 813 ff.
60° Immerhin geht die Entwicklung sichtlich in der Richtung der Be-
jahung der Haftung des Staats weiter, nachdem im Anschluss an verschie-
dene Landesgesetze namentlich süddeutscher Staaten für Preussen und das
Reich entsprechende Gesetzentwürfe zur Beratung stehen.