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Haftung des Fiskus überhaupt nicht mehr berechtigt ist, wenn
zugegeben wird, dass der Beamte eine unbeschränkte Haftung
zu tragen vermag‘”, denn dann ist sie ein Widerspruch gegen
die moderne Rechtsanschauung, die den Staat als Fiskus für
jedes vertretbare Versehen seiner Beamten haften lässt, wie sie
im BGB. klaren Ausdruck gefunden hat. Der Zweck der Haf-
tung des Fiskus ist doch gerade der, dem durch einen Beamten
geschädigten Privaten einen stets zahlungsfähigen Schuldner zu
verschaffen, an den er sich mit seinen Ansprüchen halten kann.
Der Fiskus mag seinerseits auf den Beamten zurückgreifen. Da-
mit trifft der Schaden doch den, der ihn verschuldet hat. Kann
der Beamte also die volle Haftung übernehmen, so müsste der
Fiskus erst recht dazu imstande sein ®.
II. Ein weiteres erhebliches Bedenken gegen die unbeschränkte
Anwendung des $ 839 BGB. auf Post- und Telegraphenbeamte
6” Dabei ist zu beachten, dass zu den Beamten im Sinn des $ 839 grund-
sätzlich alle Angestellten der Post- und Telegraphenverwaltung (mit Aus-
schluss der Arbeiter) gehören würden, die zur Erfüllung der eigentlichen
Aufgaben des Post- und Telegraphenbetriebs verwendet werden, also auch
Landpostboten, Telegrammbesteller, ja die persönlichen Gehilfen gewisser
Beamten (s. Württ. Beamtenges. Art. 118), Leute, die vielfach gar nicht
imstande wären, auch nur eine geringe Entschädigung zu leisten.
e8 Tatsächlich wird auch schon bisher verlangt, dass nicht jedes dienst-
liche Versehen, das an sich zur Verwirklichung des Tatbestandes des $ 839
nach dem Wortlaut der Bestimmung genügen würde — jedes Mass von
Verschulden ist darnach zu vertreten — den Beamten der Post- und Tele-
graphenverwaltung haftbar machen solle. ASCHENBORN a. a. O. S. 110.
Es scheint auch fast, als ob die Gerichte, wohl um der in einer strengen
Anwendung des $ 839 liegenden Unbilligkeit zu entgehen, der Vorschrift
des $ 254 BGB. gerade in bezug auf Versehen von Post- und Telegraphen-
beamten eine möglichst weite Ausdehnung zu geben geneigt seien. Siehe
z. B. Urteil des OLG. Frankfurt a. M., Deutsche Verkehrszeitung von 03
S. 396 u. GRUCHOT, Bd. 48 S. 930, wo die Unterlassung der Wiederholung
einer Zahl in Buchstaben im Text eines Telegramms dem Absender als über-
wiegendes konkurrierendes Verschulden nach $ 254 angerechnet wird, eine
Anschauung, die allerdings vom Reichsgericht (GrUCHOT Rd. 48 S. 930) in
der Revisionsinstanz beanstandet wurde (siehe auch Entsch. des RG. v. 11.
10. 98 bei GrucHor Bd. 43 S. 500).