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stens macht das Gesetz diese vom Reichsgericht im vorliegenden
Fall angedeutete Unterscheidung nicht. Auch etwaige Bestim-
mungen des Vertrags zwischen Postverwaltung und Absender
ändern nichts an der Tatsache, dass der Staat erklärt hat, für
alle in Ausübung öffentlicher Gewalt begangenen Delikte
seiner Beamten, die unter 8839 BGB. fallen, haften zu
wollen. Ist also die unrichtige Zustellung für den Beamten eine
ihn zum Schadenersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung, so
haftet er bezw. der Staat und unter Umständen auch das Reich
an seiner Stelle. Der Ausschluss der Haftung des Staats und
des Reichs nach Landesrecht liesse sich demnach hier nicht aus
dem Postgesetz herleiten, das, allerdings regelmässig ohne Rück-
sicht auf den Entstehungsgrund eines Schadens, lediglich die
Vertragsbeziehungen zwischen Postverwaltung und Absender
regelt; er wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn der Be-
amte selbst nicht wegen unerlaubter Handlung aus $ 839 BGB.
haftet. Dass diese Haftung tatsächlich nicht begründet sein
kann, ist bereits oben 8 4 ausgeführt ®°.
86. Privatrechtliche, nicht vertragsmässige
Verbindlichkeiten der Post- und Telegraphen-
verwaltungen.
In den bisherigen Erörterungen ist stets nur von ordnungs-
mässig abgeschlossenen, rechtsgültigen Verträgen die Rede ge-
wesen, deren Inhalt nicht zugleich Vertragspflichten für die Post-
8° MÜLLER a. a. O. Bd. 47 S. 309 ff., RG. Bd. 67 S. 185, wo der Unter-
schied zwischen Vertragspflichten der Postverwaltung und unerlaubten
Handlungen ihrer Angestellten wiederkehrt. — Der dem Bundesrat vor-
liegende „Entwurf eines Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine
Beamten“ — enthält einen Vorbehalt bezüglich der fortdauernden Gültig-
keit beschränkender Haftungsbestimmungen in anderen Reichsgesetzen, also
auch im Postgesetz. Damit soll wohl auch die weitergehende Haftung des
Postfiskus für Versehen der Beamten bei Ausübung öffentlicher Gewalt aus-
drücklich verneint werden, was nach vorstehenden Ausführungen bisher
nicht der Fall ist.