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von den Untertanen zu verlangen“. „Das ist das Merkmal des
Rechtsstaates, dass der Staat von seinen Angehörigen keine
Leistung und keine Unterlassung fordern, ihnen nichts befehlen
und nichts verbieten kann, als auf Grund eines Rechtssatzes“ ®?,
Demgemäss leistet auch die Ansicht von OTTO MAYER den
rechtsstaatlichen Auffassungen nicht in vollem Masse Genüge.
Er meint, mit Rechtsstaat solle etwas bezeichnet werden, „was
noch nicht ist, jedenfalls noch nicht fertig ist, was erst noch
werden soll“. Zwar sei das Charakteristische des Rechtsstaates
die „in der Weise des Rechts bestimmte Verwaltung“, dies könne
aber nur heissen, die Verwaltung müsse „möglichst durch Rechts-
sätze gebunden werden“'3”. Man kann dies so auffassen, dass
die Verwaltung möglichst „speziell“ gebunden sein müsse. OTTO
MAYER meint dies aber im Hinblick auf die staatliche Tätigkeit,
welche den Untertanen gegenüber, ohne dass sie sich auf einen
Rechtssatz gründet, ausgeübt wird. So ist es ihm möglich, auch
für das wichtigste Gebiet, die Polizei, jene Forderung aufzu-
geben: „ohne gesetzliche Grundlage kann die Störung der guten
Ordnung mit unmittelbarer Gewaltanwendung abgewehrt werden“ ®%,
Denn, so behauptet er, hier sei noch eine „bereits bestehende
Pflicht“, eine „allgemeine Untertanenpflicht“ vorhanden ®%.
Unser moderner Staat stellt aber seiner Art nach einen
vollendeten Rechtsstaat dar, in welchem auf seiten der Unter-
tanen keine naturrechtlichen „Pflichten“ mehr existieren, auch
nicht für die Polizei. Es besteht nur die selbstverständliche
92 LABAND, Staatsrecht Bd. 2 S. 173, 180.
»3 Vgl. hierüber Orro MAYER Bd. 18. 53 ff.
»* Drro MAYER a. a. O. Bd. 1 8. 252.
» Otto MAYER a. a. O. Bd. 1 S. 272 u. Anm. 2. Dort wird von „Po-
lizeibefehl“, der sich von den anderen Arten obrigkeitlicher Befehle dadurch
unterscheidet, „dass er erlassen wird zur Geltendmachung der allgemeinen
Untertanenpflicht“ (Bd. 1 S. 271) gesagt: „der oberste Satz, von dem alles
ausgeht, ist darnach der: kein Polizeibefehl kann gültig erlassen werden
ohne gesetzliche Grundlage, d. h. anders als durch Gesetz oder mit gesetz.
licher Ermächtigung.“