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tanenverhältnis von Staat und einzelnen, für sogen. „öffentlich-
rechtliche Verhältnisse“ ist aber nach Orro MAYER die Ent-
stehung von Gewohnheitsrecht „durch die allgemeinen Grund-
sätze unseres Öffentlichen Rechtes von selbst ausgeschlossen 1°,
Die Ansicht, die v. SARWEY äussert, möchte wohl die
Bildung von Gewohnheitsrecht zugeben, wenn nicht Staat und
Untertanen entgegenstehende Interessen besässen. Bei genauerem
Zuschauen findet sich jedoch, dass auch dem anderen Gewohn-
heitsrecht auf öffentlich-rechtlichem Gebiete, insbesondere bei
Schadensersatzansprüchen'!?° Aehnliches entgegengehalten werden
kann. Gewiss ist die Macht auf Seiten der Verwaltung ein er-
schwerendes Moment für die Bildung von Gewohnheitsrecht.
Aber wenn man erwägt, dass diese Macht keine Willkür ist und
schon im Polizeistaat für das „allgemein Beste“ tätig zu werden
hatte!?!, dann ist wenigstens die eine Bedingung für die Bildung
von Gewohnheitsrecht, die „Uebung“ '?? insofern möglich, als
die öffentliche Verwaltung bestimmte Zwecke immer in der
gleichen Weise durchführt. Auch lässt sich nicht die Behauptung
abweisen, dass jene Uebung allmählich die Anerkennung der
Verpflichtung!?? und zwar gerade wegen der Ueberzeugung von
der Nützlichkeit des staatlichen Einschreitens auch auf seiten
der Untertanen im Gefolge hat. Allerdings liegt in den Be-
herrschten das Streben, die Herrschaft abzuweisen. Das liegt
schon in dem Individualismus. Aber so extrem ist selbst dieser
118 Djeses Gewohnheitsrecht wird als „Observanz“ bezeichnet, das ist
ein „Rechtssatz, der innerhalb eines bestimmten Interessenkreises von dessen
Teilnehmern in der inneren Ueberzeugung von seiner rechtlichen Notwen-
digkeit — opinione necessitatis — fortdauernd befolgt worden ist, und
zwar unter vorausgesetzter stillschweigender Zustimmung der gesetzgeben-
den Gewalten“; vgl. JEBENS a. a. O. 8. 57. Das Gebiet, auf dem sich un-
sere Untersuchung bewegt, wird aber davon nicht berührt.
119 OTTO MAYER a.a. O. Bd. 18. 132.
20 Vgl. unten $ 7.
1221 Vgl, v, MouHr, Die Polizeiwissenschaft Bd. 1 8. 3.
22 Vgl. unten bei Anm. 142.