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Verwaltung ihrer Freiheit beraubt wird. Durch das öffentlich-
rechtliche Verhältnisse betreffende Gewohnheitsrecht braucht
nämlich der „Vorbehalt“ des Gesetzes keineswegs angetastet
zu werden. Man braucht nur die Bildung von Gewohnheitsrecht
innerhalb der allgemeinen Schranken des Gesetzes sich ent-
stehend denken. Dazu ist nötig, dass man die weitgehenden
Ermächtigungen der Behörden als Gesetz im Sinne der Ver-
fassungen betrachtet!, Wenn auch nicht contra
legem’?!, sokann sich doch mindestens praeter
legem auch auf öÖffentlich-rechtlichem Ge-
biete Gewohnheitsrecht als Norm für obrig-
keitliche Tätigkeit bilden. Esistergänzendes
Gewohnheitsrecht!’®.
Dem gegenüber hält die Befürchtung, „dass die Ver-
waltung sich die nötigen Rechtssätze durch längere Uebung
selbst erzeugen könnte“ !?*, dass „gewohnheitsmässiges Unrecht“
allmählich zu Recht werden könnte, nicht Stand. Vielmehr
liegt darin für die Vergangenheit wie für die Zukunft gerade
eine Garantie gegen Willkür in der Verwaltung. Je allgemeiner,
je weitgehender die Grenzen für eine staatliche Tätigkeit sind,
desto mehr ist die Bildung spezieller Gewohnheitsrechtssätze
nötig gewesen und noch nötig!°’*.
Der formale Standpunkt, dass der Verwaltung die Fähig-
keit, Rechtssätze zu produzieren abgehe, entbehrt also jeder
inneren Berechtigung. Wenn einer Behörde zur Durchführung
130 Dies tut aber z. B. OrtTo MAyer nicht; vgl. oben bei Anm. 105.
131 Die Möglichkeit der Bildung von derogatorischem Gewohnheitsrecht
braucht für den vorliegenden Zweck nicht untersucht zu werden.
132 OpTo MAYER a. a. O. Bd. 1 S. 134 erkennt dies nur für das „neue
Gewohnheitsrecht“ an, die Observanz.
133 OTTo MAYER a. a. OÖ, Bad. 18. 131.
132 STIER-SOMLO, Die Einwirkung S. 131 sagt, dass „Auslegung;
Rechtssätze entwickelnde, aus dem allgemeinen Grundsatze die Besonder-
heiten ableitende Tätigkeit“ nicht ausgeschlossen sei für die Bildung von.
Gewohnheitsrecht ; vgl. auch a. a. O. S. 132.
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 2. 20