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öffentlicher Aufgaben autoritative Gewalt verliehen ist, dann soll
der gesetzgeberische Wille dem einzelnen Falle genau angepasst
werden, weil es der Inhalt, die Natur der Ermächtigung so ver-
langt!?®*. Hat die Verwaltung durch eine lange Zeit währende
Anpassung des gesetzlichen Rahmens in unzähligen Fällen den-
selben in einer bestimmten gleichen Weise und nach bestimmten
gleichen Grundsätzen gehandhabt, dann muss angenommen
werden, dass durch den bestimmten Inhalt, mit dem die Praxis
ihre allgemeinen Ermächtigungen ausgefüllt hat, gerade der
Wille des Gesetzes zum Ausdruck gelangt ist.
Die Bildung von Gewohnheitsrecht muss aber auch noch
darüber hinaus anerkannt werden. STIER-SOMLO hat im Sinne
des Prinzipes der gesetzmässigen Verwaltung gegenüber der
Ansicht von OTTO MAYER ausgeführt'?®, dass zwar eine ver-
waltende Tätigkeit des Staates „auch auf den vom Gesetze frei-
gelassenen Gebieten“ denkbar sei, „jedoch nur innerhalb des
Rahmens eines formellen Gesetzes, in Uebereinstimmung mit
den Grundsätzen des staatlichen Rechts überhaupt“. Bei der
Begründung von Gewohnheitsrecht geht er aber davon aus, dass
„das Problem der Gewohnheit hinsichtlich des Staats- und Ver-
waltungsrechts von dem auf dem Gebiete des Privatrechts in-
sofern verschieden ist, als es sich nicht um einen historisch zu
begründenden Nachweis tatsächlicher Geltung, sondern um eine
aprioristische Erörterung über die Möglichkeit zukünftiger Ge-
wohnheitsrechtsbildung handelt!?”. So kommt er auch nur zu
der weiteren Behauptung: „wo .. . die gesetzliche breite
Basis für eine notwendig werdende Verwaltungstätigkeit fehlt,
wo hiernach ein Vacuum eintritt, dort kann sehr wohl die
Gewohnheit Platz greifen und sich, mit der Ueberzeugung ihrer
135 Vgl, FRICKER a. a. O. S. 30 ff.
136 STIER-SOMLO, Die Einwirkung .. . S. 129 ff.
137 STIER-SOMLO a. a. O. S. 123 a. E.; SEIDLER, Das Gewohnheitsrecht
a. d. Gebiet d. öst. Staats- u. Verw.rechts 1898 S. 548.