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Während aber in der Theorie der Polizeibegriff die be-
schränkende Richtung auf den Sicherheitszweck erhielt, veränder-
ten sich nach und nach die Grundlagen des Rechtes. Dies ge-
schah zunächst in der Weise, dass neue Normen erlassen wurden.
Da bei Aufstellung derselben zumeist die Auffassung massgebend
war, welche die jedesmalige Theorie über den Polizeibegriff zu-
tage gefördert hatte — d. h. in der Regel der engere Polizei-
begriff — so behielt die doktrinelle Erörterung desselben zunächst
ihre volle Bedeutung.
Mit dem zum Durchbruch gelangenden Gedanken des Rechts-
staates tritt aber eine prinzipielle Wandlung ein, indem die bis-
her ergangenen gesetzlichen Normen auf einen ganz anderen
Boden gestellt werden. Durch die konstitutionellen Bewegungen
wird das alte staatsrechtliche Gebäude zerbrochen. Die einge-
tretene Veränderung zeigt sich äusserlich in der Errichtung von
Verfassungen. Durch diese wird die Unverletzlichkeit der Indi-
vidualrechte proklamiert. Der einzelne soll Freiheit und Eigen-
tum ungestört geniessen, es sei denn, dass ein Rechtssatz dem
Staate ein Recht zum Eingriff ın dieselben gibt.
Worauf stützte sich aber diesem Grundsatze gegenüber die
Polizei, für deren Tätigkeit eine allgemeine gesetzliche Grund-
lage fast überall fehlte? — Die Antwort kann nur lauten, dass
sie ihre im Polizeistaate ohne rechtssatzmässige Grundlage aus-
geübte Tätigkeit auch beim Fehlen von Rechtssätzen jetzt ein-
fach weiter ausübt. Es hat auch bei der Errichtung von Ver-
fassungen niemand daran gedacht, der Polizei ihre Tätigkeit zu
STEIN, Verw.lehre, Teil II S. 72; BuLuntscHuı, Allg. Staatsrecht 2. Aufl.
Bd. 2 S. 176, 177; FUNKE in Weiske, Rechtslexikon, Bd. 8 8. 188; OrTTo
MAYER a. a. O. Bd. 1 8. 248; GERLAND, Der Begriff der Polizei, Arch. f.
öff. Recht Bd. 5 S. 15, 16; vgl. hierzu FıscHEgs Zeitschr. Bd. 26 S. 198 fi.,
wo gesagt wird, dass durch Wohnungsverhältnisse „das wirtschaftliche
Fortkommen des einzelnen und die allgemeine Wohlfahrt gefährdet und
geschädigt wird.“