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B. Der moderne Polizeibegriff.
Wir stehen in einer dritten Periode, im vollendeten Rechts-
staate, in dem „die Wissenschaft des deutschen Verwaltungs-
rechts zum Range einer juristischen Disziplin herangewachsen“:
ist, „die mit derselben streng juristischen Methode, durch welche
die Wissenschaft des Zivilrechts gross geworden ist, es unter-
nommen hat, die Rechtsgrundsätze für die Beurteilung der Ver-
hältnisse der öffentlichen Verwaltung zu gewinnen“! Heute
sollte daher ein rechtswissenschaftlicher und zwar ein verwal-
tungsrechtlicher Polizeibegriff herrschend sein.
Was ist damit ausgedrückt? — Nichts anderes als die oben,
aufgestellte Forderung, dass der Polizeibegriff seine feste Grund-
lage im positiven Verwaltungsrechte zu finden hat: im Gesetzes-
recht, Gewohnheitsrecht und Gerichtsgebrauch. „Polizei“ ist
ein materiellrechtlicher Rechtsbegriff und
muss auf induktivem Wege aus jenen Rechts-
normen gewonnen werden. Ob und in welchem Masse
bei einem solchen Verfahren ein für die Praxis brauchbarer Be-
griff der Polizei herauskommt, das darf die Wissenschaft zu-
nächst nicht kümmern.
Die staatliche Tätigkeit ist auf die Verwirklichung öffent-
licher Interessen gerichtet, wie bereits die Definition der
römischen Juristen erkennen lässt: Publicum jus est quod ad
statum rei Romanae spectat, privatum, quod ad singulorum utili-
tatem (Ulpian, L. 182 D. 1, 1). Diese bezieht sich auf die
materielle Seite der öffentlich rechtlichen Normen. In formaler
Hinsicht ist dem öffentlichen Rechte charakteristisch, dass es
die Grenzen der Staatsgewalt bestimmt, so dass also alle
diejenigen Akte von ihm ungeregelt bleiben, die der Staat dem
Untertanen gegenüber nicht qua imperator vornimmt. Insofern
kann man auch sagen, das öffentliche Recht habe es „im wesent-
170 FLEINER a. a. O. S. 8.