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unserer Auffassung kommt hier der Begriff der öffentlichen
Ordnung als materiellrechtliche Norm garnicht in Betracht. Die
Polizei schreitet kraft ihres „Amtes“ ein: Schutz den Hilflosen.
(Urt. v. 19. Oktober 1904, Jahrb. Bd. 6, 8. 236 ff.)
Der Inhaber eines Privatbankgeschäftes kann polizeilich
nicht verpflichtet werden, den vorhandenen Bestand an gewissen
Münzsorten der Behörde anzuzeigen; denn die Staatsgewalt kann
von dem Untertanen ein Tun oder Unterlassen „nur auf Grund
eines Rechtssatzes“ fordern. Dieser Grundsatz ist auch in $ 27
der Verf.-Urk. ausgesprochen, indem der einzelne zu einem seine
Freiheit beschränkenden Tun oder Unterlassen nur insoweit ver-
pflichtet ist, „als das auf Gesetz oder Recht, d. h. auf einem
geschriebenen oder ungeschriebenen Rechtssatze“ beruht. Es
gibt auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach der Unter-
tan verpflichtet ist, sich jeder behördlichen Anordnung zu unter-
werfen; denn dann hätte jeder Rechtsschutz aufgehört. Nur
auf dem (sebiete der Polizei wird als „Folge der allgemeinen
Untertanenpflicht, die gute Ordnung des Gemeinwesens nicht zu
stören“ auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, „die auf
dem ungeschriebenen Rechte beruhende Befugnis der Verwal-
tungsbehörden“ anerkannt, entsprechende Verfügungen mit un-
mittelbar verbindlicher Kraft zu treffen. (Urt. v. 21. Januar
1905, Jahrb. Bd. 7, 8. 12 ff.)
Es widerspricht „den sittlichen Anschauungen und Grund-
sätzen der herrschenden Gesellschafts- und Rechtsordnung“, dass
zwischen zwei Personen ein intimes Verhältnis besteht, das auf
ausserehelichen Beischlaf schliessen lässt, auch wenn es nicht
unter den Begriff des Konkubinats fällt, und zwar deshalb, weil
darin der Tatbestand des in $ 172 StrGB. unter Strafe gestell-
ten Ehebruchs gegeben ist. Darin liegt aber zugleich „eine
Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens“, da „sowohl be!
den Hausbewohnern als in der Nachbarschaft Anstoss und hier-
durch öffentliches Aergernis“ erregt worden ist. Da die Polizei