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gesprochen wird, dass Senat und Bürgerschaft nur das Volk re-
präsentieren, so herrscht rechtlich doch Volkssouveränität.
Von der normalen Verfassungsdemokratie unterscheidet sich
die Bremer dadurch, dass das Parlament, Bürgerschaft genannt,
der Regierung oder Exekutive, dem Senat, nicht übergeordnet
ist. Es fehlt das Prinzip der Jährlichkeit der Steuern. Senat
und Bürgerschaft wirken in Ausübung der Staatsgewalt im
Zweifel „gemeinschaftlich“ d. h. gleichgeordnet.
II. In Lübeck und Hamburg ist nicht das Volk, sondern
Senat und Bürgerschaft zusammen als ein ausgezeichneter Volks-
teil oberstes Staatsorgan, Träger der Staatsgewalt. „Die höchste
Staatsgewalt steht ihnen gemeinsam zu“. Die Gesamtheit der
politisch Berechtigten ist wohl Kreationsorgan, sie wählt die
Bürgerschaft; aber sie wird dadurch nicht Vorgesetzter der Bürger-
schaft, so wenig wie die Kardinäle solche des Papstes. Die
Bürgerschaft stellt hier kein Parlament, kein Volksorgan dar.
Indem die lübische Verfassung 18 (im Gegensatz zur bremischen)
erklärt: die Vermutung spricht gegen die gemeinschaftliche Aus-
übung der Leitung und die hamb. Verfassung 6 bestimmt: nur die ge-
setzgebende Gewalt wird von Senat und Bürgerschaft zusammen
ausgeübt, bringen die Verfassungen der beiden Städte auch zum
Ausdruck, dass der Senat sein Analogon im monarchischen und
nicht im demokratischen Staatshaupte besitzt.
II. Der Deutsche Landesfürst ist in Preussen seit Fried-
rich dem Grossen, im übrigen Deutschland seit der territorialen
Umgestaltung des 19. Jahrh. nicht mehr Subjekt, sondern Organ
des Staates. Bisher gehörten Land und Leute ihm, jetzt gehört
er dem Land d. h. Staat. Aus dem Landesherrn wurde ein
Staatshaupt d. h. ein Staatsorgan, das oberste. Den Umschwung
führte die Wissenschaft des Naturrechts herbei. Sie bereitete
den modernen Staat vor. Sie lehrte, rational sei der Herr für
das Land und nicht das Land für den Herrn da. Bisher war
Rechtens, Land und Leute dienen dem Interesse des Fürsten,