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allen diesen fehlt der bewusste Zusammenschluss von Familien
unter äusserer Regelung mit dem Zwecke, das auf Bedürfnisbe-
friedigung gerichtete Zusammenwirken zu konstituieren. Eins
— wenn man will, auch zwei — dieser Momente lassen sich bei
den sogen. tierischen Gesellschaften nachweisen, die durchaus
nicht immer eine bloss zufällige Zusammenhäufung von Indivi-
duen darstellen. So haben wir im Ameisenbau und im Bienen-
stock sicherlich ein auf Bedürfnisbefriedigung gerichtetes Zusam-
menwirken zu sehen; man könnte auch eine gewisse äussere
Regelung in diesen sogen. Tierstaaten prätendieren; aber es ist
kein Zusammenschluss von Familien, sondern mit Hinsicht auf
die Fortpflanzung sind diese Gesellschaften blosse Familien. Und
gerade das Zusammenschliessen von Familien ist es, das bei den
höheren Tieren die Vergesellschaftung unmöglich macht; „die
Kämpfe zwischen den Männchen, die Bedürfnisse der Erziehung
stören und lockern diese Gesellschaften“ 57,
Dagegen sind bei jeder durch Menschen gebildeten Gesell-
schaft 5® diese drei Kriterien nachzuweisen. Sie finden sich bei den
ursprünglichen gesellschaftlichen Gebilden der Menschen ebenso-
wohl wie in den weiter entwickelten und ganz ebenso in dem
bisher höchsten, im Staate.
Vor allem schon in den früheren Gesellschaften der Men-
schen, deren einfache Zusammensetzung uns ermöglicht, die Merk-
57” A. Espınas a. a. O. S. 469; vgl. ebenda bes. S. 476 fi. Dass die
polygamische Familie kein Zusammenschluss von Familien, keine echte Ge-
sellschaft ist, das ist wohl ohne weiteres klar.
58 G. JELLINEK, System S. 312: „Eine stetige, notwendige, gemeinsame
Zwecke einer Mehrheit von Personen fördernde Institution nennen wir eine
Gemeinschaft. Wesentlich für den Begriff der Gemeinschaft ist nur eine
Mehrheit von Personen, die Zwecke verfolgen, die durch den isolierten
Willen des einzelnen nicht erreicht werden können. Als engerer Begriff unter
den weiteren der Gemeinschaft fallend erscheint das Gemeinwesen: die or-
ganisierte, einen selbständigen Willen über dem Willen der Glieder be-
sitzende Gemeinschaft.“ Mit „Gesellschaft“ bezeichne ich das letztere, den
politischen Verband.
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 3. 28