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man die lex imperfecta aufstellt, ist der, dass man keine Strafe
an ihre Uebertretung zu knüpfen braucht: sie ist und bleibt dar-
um doch Recht, eben im ganzen der Rechtsordnung. Würde
sie häufig übertreten, so wäre die nächste Folge die, dass
Strafe dafür festgesetzt würde !!!,
Die Rechtsordnung, wie sie im Interesse der Allgemeinheit,
des „commonwealth“ aufgestellt ist, ist von seiten der Allgemein-
heit konstituiert; die Zustimmung des einzelnen ist nicht erfor-
derlich!!?. Und das gilt, wie für den Staat, so für die Vor-
läufer desselben, für seine Vorstufen, beispielsweise für die
Sippe 13,
Es ist das eine Gesellschaft, die gleichfalls durch das Recht
zusammengehalten wird, das sie aufstellt und handhabt; sie ist
ein Zwangsverband ganz wie der Staat.
Die Rechte wie die Pflichten der einzelnen waren geregelt,
insbes. hatte die Sippe volle Strafgewalt über ihre Mitglieder.
Freilich war es zulässig, „sich durch Entsippung, d. h. durch
freiwilligen Austritt aus der Sippe, den Sippenpflichten zu ent-
ziehen. Andrerseits aber war es der Sippe gestattet, einen Ge-
nossen, für den sie nicht einstehen wollte, auszuschliessen, indem
sie sich öffentlich von ihm lossagte“ !!%; in früherer Zeit, indem
sie ihn einfach forttrieb.
11 Ueber rechtlich irrelevante Handlungen vgl. G. JELLINEK, System
9. 46, S. 50, S. 104. bes. $. 110 Anm. 1. Auch diese können rechtlich rele-
vant werden.
112 R, STAMMLER, Wirtschaft und Recht. S. 479: „Sie alle übersehen,
dass das Recht seinem Sinne nach den Anspruch erhebt, als Zwangsgebot
über den Unterworfenen zu gelten, ganz ohne Rücksicht auf deren Willen
und Zustimmung.“ $. 481: „Geltungsanspruch von Normen, die den Unter-
worfenen binden wollen, ohne ihn überhaupt um seine tatsächliche Zustim-
mung zu befragen.“
118 Ich exemplifiziere auf die germanische Sippe. Vgl. J. GRIMM, Rechts-
altertümer I, S. 643; R. SCHRÖDER, Rechtsgeschichte S. 64 ff.; O. GIERKE,
Genossenschaftsrecht I, S. 18 Anm. 19, H. BRUNNER, Grundzüge 8. 9 ff.,
8.23 f. Vgl. Anm. 63 u. 64.
1 HA, BRUNNER, Grundzüge S. 11; vgl. auch H. BRUNNER ], S. 211 ff.
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