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Dr. Rudolf v. Laun: Das Recht zum Gewerbebetrieb. Wien
u. Leipzig 1908, Franz Deuticke. VII u. 212.
Die Schrift bildet das 3. Beft des Bd. VII der Wiener Staatswissen-
schaftlichen Studien, welche BERNATZIK und PHILIPpoOVIicH herausgeben.
Dem erstgenannten dieser beiden Gelehrten steht sie auch in ihrem Inhalt
sehr nahe, was ihr natürlich nur zu Vorteil gereichen kann.
Das Verwaltungsrecht bat zum Zweck die Sicherung der Freiheit der
Staatsuntertanen und die Verwaltungsrechtswissenschaft erfüllt ihre Auf-
gabe, wenn sie diesen Zweck immer im Auge behält und dazu beitragen
will, dass er möglichst vollkommen erreicht werde. Das ist wenigstens
meine Auffassung von der Sache. Ich freue mich zu sehen, dass der Verf.
sie teilt, und lasse mir gern von ihm Vorhalte machen, dass ich in dieser
Richtung nicht genug getan habe. Ob er freilich auf seinem Wege sach-
lich mehr erreicht, das möchte ich bezweifeln. Ich habe den Eindruck,
dass es sich meist nur darum handelt, den Dingen einen anderen Namen
aufzuzwingen, der schön klingt, aber nichts bedeutet.
Es ist wahrlich kein Mangel an Folgerichtigkeit, wenn ich in der Ver-
waltung „die Freiheit und Selbständigkeit des Bürgers“ nicht in derselben
Weise zur Geltung gebracht finde wie in der Justiz (S. 88). Ich glaube
es ist schon viel gefordert mit der „möglichsten“ Justizförmigkeit. Dieses
„Möglichste“ aufzuweisen und durchzuführen, ist keine einfache Sache; mich
zu überbieten mit theoretischen Abstraktionen und Konsequenzen ist da-
gegen sehr leicht.
Der Verf. arbeitet hier vor allem mit zwei Dingen: subjektives
öffentliches Recht und materielle Rechtskraft. Meiner
Ansicht nach spielen sie auf dem Gebiete der Polizei, insbesondere der
Gewerbepolizei, um die es sich hier handelt, nur eine geringe Rolle. Das
zu fordernde Mass von Freiheit ist hier in anderen Formen des Rechts ge-
sichert und ausreichend gesichert.
Natürlich spricht man in solchen Fällen gleichwohl gern von subjektiven
Rechten; das ist dann nur ein handlicher Ausdruck um den Bestand gesicherter
Interessen zu bezeichnen. Seit an der schärferen Ausprägung des Begriffs des
subjektiven öffentlichen Rechtes gearbeitet wird, hat esaber auch nicht an Ver-
suchen gefehlt, gerade für die gewerbliche Betätigung die Natur eines sol-
chen Rechtes in aller Form in Anspruch zu nehmen. Die österreichische
Gewerbeordnung scheint noch mehr Versuchungen zu bieten als die deutsche.
Sogar die einfache Ausübung der Gewerbefreiheit soll ja dort die Gestalt
eines subjektiven öffentlichen Rechtes tragen. Der Verf. versetzt uns am
Anfang wie am Ende seines Buches (S. 1 u. S. 197) schon in eine gewisse
Stimmung, indem er drei Rechtsmöglichkeiten für „die Ausübung der natür-
lichen Handlungsfreiheit“ unterscheidet: sie ist „entweder erlaubt oder ver-
boten oder vom freien Ermessen der Behörde abhängig, prekär“. Für mich
wäre der allerwichtigste Fall gerade der, wo der Staat gar nichts der-