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ordnung dem Akte nachweislich den Stempel der „formellen Wahrheit‘
aufdrückt, immer der ändernde Akt behaupten wird, noch wahrer zu sein!
Doch will ich darüber nicht streiten, auch den Vorwurf der Metaphysik nicht
erheben, sondern lediglich meine Freude aussprechen, dass der Verf. den
guten Geschmack gehabt hat, sich nicht auf das so arg verunglückte Vo-
tum des 26. Deutschen Juristentages zu berufen.
Im einzelnen hat mich der Verf., wie mir scheint, recht viel missver-
standen, mich auch wohl in irreführender Weise zitiert (beispielsweise S. 107
Note 35). Aber man muss etwas einstecken können.
Darum nur noch ein Wort zu der Frage der relativen Rechtskraft und
des Parteirechts am Urteil. Dass der Verf. die Lösung nicht auf dem Bo-
den des Prozessrechts sucht, ist selbstverständlich. An die Stelle des Ur-
teils tritt ihm die behördliche „Entscheidung“ und an die Stelle der Par-
tei der BERNATZIKsche „Interessent“. Der „Interessentenbegriff“ erweist
sich ihm als „äusserst fruchtbar“, namentlich auch in Bezug auf den „Um-
fang der Rechtskraft des verwaltungsbehördlichen Aktes“ (S. 114). Und
diese Fruchtbarkeit ist einleuchtend: zum Parteibegriff gehört doch immer-
hin noch etwas von Beteiligung an einem Prozessverfahren; aber Interes-
sent? — das kann Jeder sein! Der Verf. legt Wert darauf, dass auch der
Staat als solcher in Betracht kommt. „Zwar ist der Staat im Verwaltungs-
verfahren in der Regel nicht mit einer Parteirolle ausgestattet“ (S. 103).
Aber jedesmal, wenn ihm die Angelegenheit nicht ganz gleichgültig ist, ge-
hört er „mit zu den Interessenten des Verwaltungsaktes“ das genügt.
Denn: „dann muss sich die Institution des Rechtsstaats darin bewähren,
dass auch dem Staate gegenüber die Rechtskraft des Verwaltungsaktes
wirkt“ (S. 104). Auf diese Weise wird dann glücklich der Staat zu einer
Quasi-Partei bei einem Quasi-Urteill. Wozu das? Weil auf soiche Weise
für eine „universelle Untersuchung der prozessualen Erscheinungen‘® die
Frage der relativen Rechtskraft ihre einfachste Lösung erhält. Sie liegt in
der „Dispositionsfreiheit der Parteien“ über den Gegenstand der Entschei-
dung.
Der Kläger kann nämlich trotz des rechtskräftigen Urteils, das er gegen
seinen Schuldner erwirkt hat, „diesem die Schuld erlassen“ (8. 118), und
ebenso steht nichts im Wege, dass die Verwaltung „nun (nach rechtskräf-
tiger Entscheidung) im Einverständnis mit den Parteien die Rechtslage in
dem allen erwünschten Sinne ändert“. (S. 124). Das steht „auf gleicher
Stufe mit der durch gerichtliche Urteile nicht behinderten privatrechtlichen
Dispositionsfähigkeit der Parteien“ (S. 125).
Der Verf. meint: „dass dem Urteil eine Neuregelung des Rechtsverhält-
nisses nachfolgt, ist eine alltägliche Erscheinung“ (S. 125 Note 57). Sagen
wir: es kann vorkommen. Nur ist es eine dem „wirklichen Leben“ keines-
wegs entsprechende Idee, anzunehmen, dass das in der Verwaltung ge-
schehe durch Vereinbarungen zwischen der Behörde und den „Privatpar-