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die. Sie verrät einen hervorragenden Fleiss und ein bedeutendes juristi-
sches Wissen des Autors und ist von einem wissenschaftlichen Ernst, welcher
das jugendliche Alter des Verfassers nicht vermuten lässt. Auch kann
dem letzteren die Anerkennung dafür nicht versagt werden, dass er sich
an eine der schwierigsten und kompliziertesten Materien herangewagt hat,
um eine fühlbare Lücke in unserer Rechtaliteratur auszufüllen. Es vermag
ihm daher auch nicht zum Vorwurfe zu gereichen, wenn nicht alles, was
er zur Ausfüllung dieser Lücke bietet, Zustimmung finden dürfte.
Die folgenden Zeilen wollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur
einiges Wenige aus dem hervorheben, worin den Behauptungen der Arbeit
nicht beigepflichtet werden kann.
Die Einteilung der staatlichen Tätigkeitsformen auf psychologischer
Grundlage dürfte als verfehlt zu bezeichnen sein, ebenso wie das Vorbild,
an das sie sich, wohl unbewusst, anlehnt, nämlich die LORENZ VON STEIN-
sche Unterscheidung der staatlichen Funktionen in Wille und Tat. Wahr-
nehmen, Denken und Wollen ist nicht das Charakteristische der drei vom
Verfasser aufgestellten Kategorien staatlicher Akte, sondern das Wollen
ist im allgemeinen allen dreien gemeinsam. Es ist der Wille, und zwar
rechtlich qualifizierter Wille, Staatswille, welcher die rechtlich relevante
Staatstätigkeit charakterisiert. Allerdings sind Ausnahmen hievon denkbar,
öffentliche Akte ohne, ja gegen den Willen des mitwirkenden öffentlichen
Organes. Ein Beispiel dieser Art erwähnt der Autor S. 40, nämlich die
Entgegennahme des Ehekonsenses nach tridentinischem Eherechte. Diese
Fälle wären getrennt von den anderen zu behandeln gewesen, denn sicher-
lich stimmen die Voraussetzungen ihrer Gültigkeit nicht ganz mit jenen
der gewollten Staatsakte überein. Im übrigen kommt auch bei der Ent-
gegennahme. von Erklärungen der Wille, die Bereitschaft des Staatsorganes
in Betracht. Dies verkennt der Autor, wenn er S. 40 unter Berufung auf
8 1317, Abs. 1, Satz 2, BGB. behauptet, die Entgegennahme der Erklärung des
Ehekonsenses durch den Standesbeamten könne nicht „materiell falsch“ ge-
nannt werden, sondern nur das „Öffentlich-rechtliche Rechtsgeschäft“, wo-
mit der Beamte die Verlobten „ermächtigt, rechtlich relevante Erklärungen
abzugeben“. Ein solches Rechtsgeschäft gibt es geradesowenig wie etwa
eines, wodurch der Richter‘ den Zeugen zur Aussage oder der Nachlass-
richter den präsumtiven ehelichen Vater eines verstorbenen Kindes zur An-
fechtung der Ehelichkeit nach $ 1597 BGB. „ermächtigt“. Erforderlich ist
nur die „Bereitschaft“, d. h. der Wille zum Anhören. $ 1317 spricht da
keine Ausnahme, sondern ein Prinzip aus, und nur historische Gründe, in
letzter Linie der Gegensatz zum kanonischen Recht, haben zur Formulie-
rung des allgemeinen Prinzipes an dieser besonderen Gesetzesstelle geführt.
Massgebend für die beabsichtigte Dreiteilung der staatlichen Tütigkeits-
äusserungen hätte nur das unmittelbare Objekt des Staatswillens sein
können, und der Verfasser hätte daher, in seiner Terminologie, etwa zu