Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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schritt gegenüber der S. 105 ausdrücklich abgelehnten Theorie, wonach jede 
offenbare Gesetzwidrigkeit Nichtigkeit begründet. 
Das Merkmal der Individualisierungsmomente ist wohl auch nicht richtig 
erfasst. Denn wir lesen S. 122 zu unserem Erstaunen, dass ein Mensch 
nicht durch seinen Namen, Wohnort, Stand, Beruf u. dgl. individualisiert 
werde, sondern lediglich durch seinen Geburtstag und Geburtsort: „denn 
es ist physisch unmöglich, dass an demselben Punkte der Erde im gleichen 
Augenblicke zwei Menschen geboren werden‘. Das würde nur stimmen, 
wenn man Geburtszeit und Geburtsort bis auf die Minute und bis auf das 
Bett, in welchem die Mutter entbunden hat, genau bezeichnen würde. 
An einem Tag können in derselben Ortschaft doch sehr viele 
Menschen geboren werden. Ob jene Individualisierung aber praktischer 
wäre als die übliche, kann dahingestellt bleiben. Uebrigens dürfte nach 
demselben Prinzip der Sitz des Vereines nicht Individualisierungsmoment 
sein, wie S, 97 behauptet wird. Denn mehrere Vereine können denselben 
Sitz haben. Nicht auf jene Angaben, welche ausschliesslich indivi- 
dualisieren können, kann es ankommen, solche finden sich sehr häufig 
gar nicht, sondern auf alle jene, welche im einzelnen Fall tatsächlich 
individualisieren. 
Die systematische Aufzählung der Fehler staatlicher Machtäusserungen 
weist eine Lücke auf, welche sicherlich vermieden worden wäre, wenn der 
Gegensatz des freien Ermessens zur gesetzlichen Gebundenheit die ihm ge- 
bührende Würdigung gefunden hätte. Die teilweise Vermengung von 
Zweckmässigkeits- und Rechtsirrtümern verhindert es nämlich, jene feine 
Unterscheidung durchzuführen, welche die französische Theorie und Praxis 
zwischen der blossen Inopportunität und dem „detournement de pouvoir“ 
machen. Das detournement de pouvoir — Umgehung des Gesetzeswillens 
durch äusserlich korrekte Akte des freien Ermessens — spielt zweifel- 
los auch im deutschen Verwaltungsrecht eine Rolle, wie hier nicht näher 
ausgeführt werden kann. Aber wie man auch hierüber denken mag, jeden- 
falls hätte dieses Problem in einem Werke über die Nichtigkeit nicht gänz- 
lich ignoriert werden dürfen, 
Was die Ergebnisse betrifft, zu denen der Verfasser gelangt, so kann 
auf die Einzelheiten des reichhaltigen Buches unmöglich eingegangen wer- 
den. Auffallend ist nur die weite Ausdehnung, welche der absoluten Un- 
wirksamkeit eingeräumt wird. Als absolut unwirksam und der Vernichtung 
nicht bedürftig werden z. B. alle Akte bezeichnet, welche eine „wesent- 
liche“ Formvorschrift verletzen (S. 108), oder alle jene, welche an einen 
Parteiantrag gebunden sind, wenn ein solcher nicht gestellt worden ist 
(8. 81) usw. Diese Behauptungen dürften in ihrer Allgemeinheit doch et- 
was zu weit zehen. Nur nebenbei sei bemerkt, dass an der erstgenannten 
Stelle eine nähere Erklärung am Platze gewesen wäre, welche Formvor- 
schriften als wesentlich betrachtet werden müssen. Besonders bedenklich
	        
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