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der Beteiligten“, so dass der Veranstalter der Versammlung der Mehr-
heit der Versammelten wehrlos ausgeliefert war. Demgegenüber wurde in
der Kommissionsberatung folgende Zusatzbestimmung vorgeschlagen und
schliesslich zum Gesetz erhoben: „Der Veranstalter ist berechtigt, die
Leitung selbst zu übernehmen, sie einem andern zu übertragen
oder die Wahl des Leiters durch die Versammlung zu veranlassen.“ Man
ging bei Einfügung dieser Zusatzbestimmung davon aus, es sei Vorsorge
zu treffen, dass die Minorität, welche die Versammlung einberufen habe,
nicht von einer zufälligen Majorität vergewaltigt werden könne, was zu un-
gunsten des Veranstalters führen könne. Wie zutreffend diese Erwägungen
waren, und wie weise der deutsche Gesetzgeber diesmal durch die Neuein-
fügung der soeben angeführten Bestimmung in den Gesetzestext gehan-
delt hat, dafür bietet eben die vom Dichter geradezu musterhaft aufge-
baute Versammlung im „Volksfeind“ ein klassisches Beispiel.
Wenn wir somit einmal an der wunderbar klaren Unterscheidung
zwischen der Wahrung des öffentlichen Wohls und der Verfolgung
privater Vermögensinteressen einer Gemeinde und zum zweiten
an dem tatsächlich und rechtlich gleich einwandfreien Aufbau einer öffent-
lichen Volksversammlung ersehen haben, wie vollkommen sich
der weltumspannende Geist unseres Dichters auch auf dem Gebiete des
öffentlichen Rechts zu Hause fühlt, so bleiben noch mit einigen Worten
die Privatrechtsfragen zu erörtern, welche in das Drama mit gleich voll-
endeter Meisterschaft hinein verwoben sind.
Neben der Gemeindeverwaltung steht — äusserlich selbständig — die
Aktiengesellschaft, für deren Rechnung das Bad betrieben wird. Zwar ist
der Stadtvogt und Polizeichef gleichzeitig „Vorsitzender der Badever-
waltung“, indessen liegt die eigentliche Direktion des Bades in anderen
Händen. Der ganze Konflikt zwischen dem Badearzt und dem Bürger-
meister entsteht ja eben dadurch, dass letzterer die Abhandlung des erstern
der „Badedirektion“ nicht vorlegen will. Auch später, namentlich im
3. Akt, ist mehrfach davon die Rede, dass die Aktionäre keine weiteren
Opfer für das Bad bringen können, und dass aus diesem Grunde die für
die Erneuerung der Wasserleitung erforderlichen Beträge seitens der Ge-
meinde durch Aufnahme einer Anleihe, also indirekt aus den Taschen der
Steuerzahler, aufgebracht werden müssen. Im letzten Akte endlich kauft
der Schwiegervater des Badearztes die Aktien der Badeanstalt, die im Kurse
gesunken sind, zum grossen Teile auf; auch hieraus geht hervor, dass das
Bad nicht in eigener Regie der Stadt, sondern für Rechnung einer besondern
Aktiengesellschaft betrieben wird, und dass der Vorsitz des Stadtvogts in
der Badeverwaltung höchstens eine Art zufälliger Personalunion darstellt.
Ferner spielen die Rechtsbegriffe des Testaments und der Stiftung in
dem Stück eine gewisse Rolle. Der Gerbermeister Mortens Kyl, der Pflege-
vater der Frau des Badearztes hat — was der Badearzt allerdings erst im