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die Schiffahrtsabgaben ? als gemeinsame Reichsangelegenheit. Der
Entwurf hätte, um hierin eine Aenderung herbeizuführen, eine
Verfassungsänderung vorschlagen müssen, welche die Abgaben-
tarıfe auf den gemeinsamen Strömen zu einer Sonderangelegen-
heit der Uferstaaten erklärt. Da der Entwurf dies nicht tut,
ist auch das konditionale LAaBAnDsche Bedenken verfehlt.
In besonderem Masse richtet LABAnD den Vorwurf der
Unklarheit und Unvollständigkeit gegen die Entwurfsvorschriften
über die Zweckverbände. Er scheint dabei von der Annahme
auszugehen, dass die Konstruktion dieser Verbände in allen
oder doch in allen wesentlichen Teilen durch das Reichsgesetz
festgestellt werden solle. In dieser Beziehung steht allerdings
der Entwurf auf dem entgegengesetzten Standpunkte. Er will,
dem föderativen Charakter des Reiches entsprechend, die Bil-
dung der Zweckverbände grundsätzlich der freien Vereinbarung
unter den Einzelstaaten überlassen und nur insoweit gesetz-
geberisch eingreifen, als es durchaus notwendig ist, um das
erstrebte Ziel, die Entwickelung des nationalen W asserstrassen-
netzes, zu erreichen. Hierdurch finden die meisten der von
LABAND aufgeworfenen Fragen ihre Erledigung. Insbesondere
beantwortet sich die Frage, wer den gemeinsamen Tarif festsetzt,
wenn die Verbandsmitglieder sich über ihn nicht einigen, dahin,
dass in Ermangelung einer solchen Einigung ein Verband nicht
zustande kommt. Die Gesamtinteressen, welche sich an den
Ausbau unserer Ströme knüpfen, und die durch die Verbands-
bildung erreichbaren wirtschaftlichen Vorteile haben ein so
grosses Gewicht, dass die Besorgnis, es werde eine Verständigung
über die Höhe der erforderlichen und wirtschaftlich möglichen
2 Die Verfassung gebraucht allerdings den Ausdruck „Fluss- und son-
stige Wasserzölle“. Hiermit können aber aus einer ganzen Reihe von Grün-
den nur die Schiffahrtsabgaben gemeint sein. Es handelt sich um eine
Ungenauigkeit in der Terminologie, wie sie auch bei LABAnD in ent-
sprechenden Zusammenhauge sich findet. Vgl. den Aufsatz „Das Reich und
die Schiffahrtsabgaben“ in der deutschen Wirtschaftszeitung vom 1. Juli
1906 S. 578 fl.