— 538 —
Rechtsbegrifie, die das arbitrium boni viri entbehrlich machen
und dem Ermessen der Ausführungsbehörden keinen Spielraum
lassen, hat freilich auch der Entwurf nicht erreicht und nicht
erreichen können. Es gibt kein Gebiet des bürgerlichen und
des öffentlichen Rechtes, auch nicht des Strafrechtes, in welchem
dieses Ideal verwirklicht wäre. Ueberall, wird in grossem Um-
fange mit Begriffen gearbeitet, welche bei der praktischen Hand-
habung zu Zweifeln, oft zu sehr erheblichen Zweifeln, Anlass
geben und insofern als unbestimmt und dehnbar bezeichnet
werden können. Es mag nur — im Rahmen der neuesten Ge-
setzgebung — an den Begriff der „politischen Angelegenheit“
im Reichsvereinsgesetz vom 19. April 1908, und an den Begriff
der „gleichartigen und gleichwertigen Erzeugnisse benachbarter
oder nahegelegener Gemarkungen oder Lagen“ im Reichswein-
gesetz vom 7. April 1909 erinnert werden. Es handelt sich bei
der Anwendung solcher Begriffe im geltenden Rechte oft um
sehr viel grössere materielle und immaterielle Werte, als die-
jenigen sind, welche durch den Entwurf des Gesetzes betreffend
die Schiffahrtsabgaben berührt werden können. Das Dasein
dieser Begriffe in der Gesetzgebung beruht auf Gründen, die in
der Natur der Verhältnisse wurzeln und durch die Gesetzes-
technik nicht unwirksam gemacht werden können. Das gilt
namentlich auch von dem für die Abgabenfrage so wichtigen,
freilich nicht durch den Entwurf, sondern schon durch die Zoll-
vereinsverträge und die Reichsverfassung aufgestellten Begriffe
der Selbstkostendeckung. Die Grenze zwischen Reinüber-
schüssen und Selbstkosten ist viel zu sehr von der Eigenart der
einzelnen Betriebe abhängig, als dass sie sich nach allgemein
gültigen, festen Regeln mechanisch bestimmen liesse; die Er-
fahrung in der Gesetzgebung über Einkommensteuern hat das
deutlich gezeigt.
Wenn LABAND gerade im vorliegenden Falle eine so starke
Abneigung gegen unbestimmte Rechtsbegriffe bekundet, so ist