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bei Bedrohung oder Besetzung von Provinzen durch den Feind
jeder Festungskommandant die ihm anvertraute Festung, der
kommandierende General den Armeekorpsbezirk oder Teile des-
selben zum Verteidigungszwecke in Belagerungszustand erklären
($ 1). In Kriegs- und Friedenszeiten kann bei dringender Ge-
fahr für die öffentliche Sicherheit der Belagerungszustand wegen
Aufruhrs vom Staatsministerium erklärt werden, in dringlichen
Fällen auch vom obersten Militärbefehlshaber rücksichtlich ein-
zelner Orte oder Distrikte auf Antrag des Verwaltungschefs des
Regierungsbezirks, bei Gefahr im Verzuge auch ohne solchen
Antrag. Die Bestätigung oder Beseitigung der von einem Mili-
tärbefehlshaber verfügten Massregel steht dem Staatsministerium
zu ($ 2). Die Verhängung des Belagerungszustands, die nach
Massgabe des $ 3 bekanntzugeben ist (Verkündung bei Trommel-
schlag oder Trompetenschall, Mitteilung an die Gemeindebehörde,
Anschlag an öffentlichen Plätzen und Veröffentlichung in Zei-
tungen), bewirkt den Uebergang der vollziehenden Gewalt an die
Militärbefehlshaber, deren Anordnungen und Aufträge von den
Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden unter Verantwortlich-
keit der Militärbefehlshaber zu befolgen sind ($ 4). Mit der
Erklärung des Belagerungszustands kann die zeitweilige Aufhe-
bung gewisser Verfassungsartikel (5, 6, 7, 27, 28, 29, 30, 36)
für den in Belagerungszustand erklärten Bezirk auf die Dauer
des Ausnahmezustands verbunden werden (8 5). Die Militärper-
sonen stehen während des Belagerungszustands unter den Kriegs-
gesetzen und den in diesem Gesetze besonders aufgeführten Straf-
bestimmungen (8 6 mit $ 8 und 9). Der Befehlshaber der Be-
satzung (in den Festungen der Kommandant) hat in den unter
Literatur- und Materialienangabe; MARQUARDSEN „Handb. d. öff. Rechts“ II'
S. 164 u. II?S, 117; ScHhönßEre „Handbuch d. polit. Oekonomie“, 3. Aufl.
III? S. 304; „Staatslexikon“ der Görres-Gesellsch. IS. 498; SchLAyYER „Heer
und Kriegsflotte“ in Graf HuE DE GRAIS „Handbuch der Gesetzgebung in
Preussen etc.“ 1904 Bd. II S. 115.