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Wesen des Bundesstaats sich wohl vertragen!®, haben sich im
Deutschen Reiche allmählich durch die Gewöhnung zu einem
ziemlich feststehenden Verhältnis der Stimmenzahl der Staaten
untereinander entwickelt!17. Damit ist nun aber, was das
bayrische Stimmrecht anbelangt, nicht gesagt, dass die Stimmen-
verteilung genau auf Grund der historisch festgelegten Verhält-
niszahlen erfolgen musste!®, Ausserdem ist darauf hinzuweisen,
dass Bayern bereits im Zollvereinsbundesrat 6 Stimmen führte 18°.
Ebenso gibt ein in Nr. 85 der Augsburger Allgemeinen Zeitung
von 1870 veröffentlichter Verfassungsentwurf für einen Süd-
deutschen Bund, der unter Berücksichtigung des Art. 4 des Prager
Friedens geschlossen werden sollte, Bayern 6 Stimmen gegenüber
4 Württembergs, 3 Badens und 2 Südhessens !°°, Und schliesslich
findet sich dieselbe Zahl in dem Art. 3 des von Kımteı :?'! mit-
geteilten Verfassungsentwurfs.
Die oben von uns als dritte Gruppe zusammengefassten
Schriftsteller wollen nun, von geringen Abweichungen im einzelnen
abgesehen, alle noch verbliebenen Rechte als verfassungsmässige
Reservatrechte betrachten. Diesen ist aber nicht zuzustimmen.
Vielmehr muss eine strikte Interpretation des Art. 78 Abs. 2
noch weitergehen und zwar nunmehr in Berücksichtigung des von
uns eingangs aufgestellten Systems der Rechtsbeziehungen zwischen
Gliedstaaten und Reich.
Unter den uns verbliebenen besonderen Rechten befinden
sich einige negative, einige aktive und in ganz geringem Masse
auch positive. Wie verhalten sich nun diese Gruppen nach ihrer
rechtlichen Natur? Kann das Reich in bezug auf diese Herr-
1868 Vgl. BrıE, StV. 82,
187 Den Ausgangspunkt bildete die Verteilung durch die Wiener Bun-
desakte Art. VI.
188 So auch REINCKE 8. 27.
# |]. Art. 8 $ 1, RGBl. 1867 S. 9.
190 Vgl. v. VÖLDERNDORFF i. d. Ann, 1890 S. 293.
191 q, a. O. 9.