Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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Interesse, weil die Schweiz später diesen strengen Standpunkt 
aufgegeben hat und als bewusste Ausnahme von dem Prinzip 
beiderseitiger Strafbarkeit nach seinem Auslieferungsgesetz vom 
22. Januar 1892 für die erwähnten Delikte Auslieferung zu ge- 
währen bereit ist. Aber eine solche Ausnahme prägt die Regel 
nur um so deutlicher aus. Bei der Mehrzahl der Auslieferungs- 
verträge des Reichs bezog man sich deutscherseits auf die An- 
schauungen, die in der Denkschrift zu der Konvention mit 
Belgien von 1874 ausgesprochen worden waren. Diese ist 
hier um so mehr von Interesse, als sie die Klausel beiderseitiger 
Strafbarkeit nicht nur gelegentlich einzelner, schwer fassbarer 
Reate, sondern allgemein als Prinzip hinstellt®*. „Bei einzelnen 
Verbrechen und Vergehen, deren Tatbestand sich nach den 
beiderseitigen Gesetzgebungen nicht vollkommen deckt, stiess 
eine vollkommen erschöpfende gleichlautende Begrenzung des 
Tatbestandes auf so erhebliche formale Schwierigkeiten, dass es 
nicht zu vermeiden war, bei einzelnen Begriffsbestimmungen den 
Zusatz anzufügen: insofern die Handlung in der Gesetzgebung 
beider vertragenden Teile mit Strafe bedroht ist. Die Aufnahme 
einer allgemeinen Klausel der Art erschien nicht empfehlens- 
wert, weil eine solche Klausel“ entweder überflüssig ist oder leicht 
zu praktischen Schwierigkeiten Veranlassung geben kann. Jeden- 
falls also soll die Klausel sachlich allgemein gelten. Es sollen 
nur solche deliktische Tatbestände Aufnahme finden, bei denen 
die beiderseitige Strafbarkeit nachweisbar vorhanden ist. Das 
wird in den Verträgen der folgenden Jahre — man muss beinahe 
sagen —' mit wachsender Strenge festgehalten. Die Denkschrift 
zu der Konvention mit Spanien von 1878, in der, wie es 
üblich geworden war, nur noch die Abweichungen von der Muster- 
konvention mit Belgien besprochen werden, sagt unter anderem ®: 
66 Siehe oben S. 47 Anm. 55. 
®" Denkschrift in den Stenographischen Berichten über die Verhand- 
lungen des deutschen Reichstages, 3. Legislaturperiode, II. Session 1878, 
Bd. 5 Aktenstück Nr. 252.
	        
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