Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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25. Schon die Materialien zu unseren Verträgen halten 
den zwiefachen Sinn der Klausel beiderseitiger Strafbarkeit 
selten auseinander; meist haben sie von vornherein die zweite 
umfassendere Bedeutung im Auge, sodass man sie auch hier her- 
anziehen könnte ®°. Ungleich wertvoller ist aber die Beweisfüh- 
rung aus den Vertragsbestimmungen selbst. Das geschlossene 
System, das sie bieten, bedarf keiner Ergänzung. 
Sprachen gehen nicht restlos in einander auf, noch weniger 
Strafrechte verschiedener Nationen. Die Schwierigkeiten, die 
hieraus für die Unterhändler entstanden, wurden, wie aus den 
Denkschriften ersichtlich wird, nicht selten unübersteiglich. Es 
war nicht möglich, in den beiden beteiligten Strafrechten korre- 
spondierende Strafbestimmungen, oder, wennschon solche, korre- 
spondierende Benennungen für sie zu finden. In diesen Fällen 
schlug man den Ausweg ein, den Tatbestand so genau wie mög- 
lich zu bezeichnen und dann als Bedingung seiner Auslieferungs- 
mässigkeit hinzuzufügen: „sofern die Handlung nach der 
Gesetzgebung beider vertragenden Teile mit 
Strafe bedroht ist.“ Diese besondere Klausel als Beweis 
dafür, dass man wegen der Differenzen der Strafgesetze keine 
gemeinsame Formel zu finden vermochte, erscheint bereits in 
einer Reihe der einzelstaatlichen deutschen Verträge. So führt 
die bayrisch-französische Konvention vom 29. Novem- 
ber 1869 in Art. 2 Ziffer 9 das auslieferungspflichtige Delikt in 
folgender Weise an: 
„9 Kuppelei, wenn sie nach| „9° Proxendtisme dans les cas 
der beiderseitigen Gesetz-|pr6evus & la fois par la lögisla- 
gebung strafbar ist (Artt. 220,|tion des deux pays. (art. 334 et 
22]). 335 C. P.)* 
zu bezeichnen, erscheint es im allgemeinen ausgeschlossen, dass wegen einer 
nach dem Rechte des Zufluchtstaates straffreien Handlung Auslieferung 
gefordert werde“ und nun meint, das Bestehen des behaupteten Ausliefe- 
rungsanspruchs bestimme sich nach dem Recht des ersuchenden Landes. 
Wäre das letztere richtig, so würde die Betonung des ersteren einen ver- 
nünftigen Sinn nicht haben. 
80 Siehe die Mitteilungen aus ihnen oben 8. 58.
	        
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