Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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die modernen Auslieferungsverträge ziehen den Rahmen der aus- 
lieferungsfähigen Delikte so weit, dass der Unterschied von Ver- 
brechen und Vergehen für sie gegenstandslos geworden ist. Im- 
merhin kennt aber auch das deutsche Reichsauslieferungsrecht 
Abstufungen in der Schwere eines Reates, die für seine Aus- 
lieferbarkeit von unmittelbarer Bedeutung sein sollen. So unter- 
wirft der Vertrag mit Italien von 1871 in Art. 1 Ziffer 11 
der Auslieferung nur den „vol accompagne de circonstances 
aggravantes (schwerer Diebstahl) — Diebstahl, sofern er unter 
erschwerenden Umständen erfolgt ist (schwerer Diebstahl)“. 
Hier erscheint somit die gleiche Frage wie vorher: Nach wel- 
chem Recht wird bestimmt, ob der vorliegende Diebstahl ein 
schwerer im Sinne des Vertrages ist? Die Antwort hat zu lau- 
ten: Nach beiden. Die Tat muss nach beiden nationalen Rech- 
ten den Vertragsbedingungen genügen; nur dann ist die Aus- 
lieferungspflicht gegeben. Das ergibt sich bei dem italienischen 
Vertrage aus der bei den anderen Reaten (Ziffer 9, 12, 23) aus- 
drücklich eingesetzten Klausel beiderseitiger Strafbarkeit, deren 
Erwähnung die Verallgemeinerung fordert®®. Es kann aus dem 
Umstande, dass die französische Originalfassung des Vertrages 
durch Einschaltung der Worte „schwerer Diebstahl“ gleichsam 
auf den deutschen Begriff des schweren Diebstahls Bezug nimmt, 
nicht geschlossen werden, dass für die Beurteilung des Ausliefe- 
rungsfalles das deutsche Strafrecht massgebend sein solle. Eine 
solche Auslegung könnte anderwärts begründet sein, sie scheitert 
aber hier an der deutlich wahrnehmbaren Absicht des Vertrages, 
sischer Notenwechsel vom 13./l. Januar 1885 (deutscher Reichsanzeiger 
vom 23. Januar 1885; Originaltext METTGENBERG, Attentatsklausel $. 54; 
deutsch OLSHAUSEN, Auslieferungsverträge S. 226) und bayrisch-rus- 
sischer Notenwechsel vom 1. Oktober bezw. 19. September 1885 (Bay- 
risches Gesetz- und Verordnungsblatt 1885 S. 593; deutsch OLSHAUSEN, Aus- 
lieferungsverträge S. 235). Beide Vereinbarungen nehmen in jeder Be- 
ziebung eine Sonderstellung ein und haben keinerlei typische Bedeutung. 
se Siehe oben S. 58.
	        
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