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konstruierten Ausgangspunkt, bei KELSEN dem Staat, „zuge-
rechnet“.
KELSEN geht von der „unbeweisbaren subjektiven Voraus-
setzung aller Rechts- und Staatsphilosophie* (S. 253, Anm. 1) aus,
daß alles objektive Recht Wille des Staates sei (S. 97 ff.). Dies
gelte auch vom Gewohnheitsrecht, denn dieses müsse von den
staatlichen Organen angewendet werden (S. 100, 101). Eine dritte
Rechtsquelle kennt KELSEN nicht. „Wille“ im juristischen Sinne
sei aber nichts als ein Produkt juristischer Konstruktion zu dem
Zwecke, um rechtlich relevante Handlungen einera Subjekt zuzu-
rechnen (S. 145), Staatswille sei alles Handeln der Staatsorgane,
welches nach positivem Recht nicht diesen, sondern dem Staate
zuzurechnen ist (S. 183). Jeder Satz, der einen Willen des Staates
zum Inhalt hat, sei ein Rechtsatz (S. 250 mit 189). Aus all den
genannten Prämissen ergibt sich nach KELSEN, daß für die juri-
stische Konstruktion die Bestimmungen einer Verordnung oder eines
Aktes des freien Ermessens als vom Gesetz gewollt gedacht
werden müssen (S. 557, 499). Beispielsweise sei das freie Ermessen
des Monarchen, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, in der
Weise zu konstruieren, „daß der Staat, wenn es das allgemeine
Wohl erfordert, Krieg erklären und Frieden schließen will“ (S. 500).
Folgerichtig wäre eine Rechtsordnung selbst dann logisch ge-
schlossen, wenn sie aus dem einzigen ungeschriebenen Rechtssatz
bestünde, daß alles nach Willkür des Herrschers zu entscheiden
sei. Diese Folgerungen hat KELSEN nicht gezogen. Er hat stets
nur Gesetzesrecht vor Augen, behandelt das Gewohnheitsrecht
lediglich als etwas vom Gesetz Geduldetes, also gewissermaßen
nur als abgeleitete Quelle und erklärt alles nicht im Gesetz fun-
dierte für juristisch unkonstruierbar (vgl. insbes. 8. 502, 503).
Ueber KELSENs ausführliche und scharfsinnige Theorien, die
wiederzugeben hier nicht der Raum wäre, findet der Leser dieses
Archivs im XXVIII. Band S. 329 ff. eine Rezension von TEZNER,
deren zum Teil mißverständliche Ausführungen an Ueberzeugungs-