Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

— 1697 — 
Der allgemeine Befehl genügt, wenn jedem eine gleiche oder 
in einfacher Weise aus dem Gesetz sich ergebende Pflicht auf- 
gebürdet wird. Bei den Gesetzen über den Schulzwang zum Bei- 
spiel ist für eine ganze Kategorie von Untertanen an die gleiche, 
genau bezeichnete und jedem erkennbare Voraussetzung (bestimm- 
tes Alter des Kindes) die gleiche Folge geknüpft. Ein Einzel- 
befehl aber muß noch hinzukommen, wenn die jedem einzelnen 
Betroffenen obliegende Pflicht aus dem Gesetz allein noch nicht 
festgestellt werden kann, sondern aus den allgemeinen Vorschriften 
des Gesetzes und den im einzelnen Fall gegebenen tatsächlichen 
Verhältnissen durch gedankliche Operationen (Zweckmäßigkeits- 
erwägungen, Berechnungen usw.) erst ermittelt werden muß. 
Aus dem Gesagten ist leicht zu erkennen, daß es sich hier 
nicht um einen qualitativen, sondern nur um einen quantitativen 
Unterschied in den Voraussetzungen der beiden Fälle handelt. 
Denn in jedem Fall, in dem das Gesetz einen allgemeinen Befehl 
erläßt, hat der einzelne durch eine gedankliche Operation zu 
prüfen, ob die Voraussetzungen des Gesetzes auf seinen Fall zu- 
treffen, und er daher das vom Gesetz Geforderte zu leisten hat. 
Nur ist diese Tätigkeit in dem einen Fall einfach, da nur mit 
Begriffen, die jedem geläufig sind, zu operieren ist. in dem ande- 
ren komplizierter und vielfach dem Untertanen gar nieht möglich. 
Infolgedessen wird sie nicht diesen überlassen, sondern den Ver- 
waltungsbehörden übertragen, die dann den Einzelbefehl zu er- 
lassen haben. — Es liegt hier ein ähnlicher Unterschied vor wie 
im Zuivilprozeß, wenn es sich vor der Leistung eines Parteieides 
fragt, ob die Eidesnorm eine Tatsache oder ein Urteil darstellt. 
Eigentlich sind sämtliche Eidesnormen, sobald sie von einem 
Menschen ausgesprochen werden, Urteile; man betrachtet sie aber 
trotzdem als Tatsachen, wenn der Schwörende sie kraft seines 
Berufs, seiner Erfahrung, seiner Bildung usw. mit Sicherheit ab- 
geben kann. Aehnlich verlangt hier der Gesetzesbefehl für sich 
allein Gehorsam, wenn der Untertan, an den er sıch richtet, seine
	        
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