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ein offener Pflichtenkonflikt vor, der seine außerlogische
Lösung nur durch die tatsächliche Eliminierung einer der beiden
Autoritäten im Bewußtsein des Pflichtsubjektes finden kann. Die
„Derogierung“ der einen Norm durch die andere, die eine
logische Lösung des Konfliktes bedeutet, ist zwischen verschie-
denen, d. h. voneinander unabhängigen, selbständigen Autoritäten
nicht möglich. In solchem Verhältnis stehen zueinander z. B.
Rechtsnormen und Moralnormen.
Dabei muß die normsetzende Autorität als oberste vorausgesetzt
sein, d. h. ihre Normen müssen einer weiteren Rechtfertigung durch
höhere Normen, Normen einer übergeordneten Autorität für nicht
bedürftig und unfähig angesehen werden. Will man diese Eigenschaft
eines Normsystems als dessen Souveränität bezeichnen, so ist
nichts dagegen einzuwenden. Mit dieser Souveränität schon begrifflich
(implicite) gegeben ist jene Eigenschaft, die man als „Kompe-
tenzhoheit“ bezeichnet, die Fähigkeit das Geltungsgebiet der
Normen selbst zu bestimmen. Denn mangelt einer normsetzen-
den Autorität diese Fähigkeit, das Geltungsgebiet ihrer Normen
selbst auszudehnen oder einzuschränken, kommt vielmehr diese
Fähigkeit einer anderen Autorität zu, dann kann die erstere nicht
mehr als oberste angesehen werden, ja überhaupt nicht mehr
als normsetzende Autorität im strengen Sinne des Wortes gelten.
Zumindest der übergeordneten, mit Kompetenzhoheit ausgestatteten
Autorität gegenüber erscheint sie nur mehr als Pflicht- oder Rechts-
subjekt, sofern sie sich eben innerhalb der Grenzen zu halten
verpflichtet oder berechtigt ist, die ihr vorgezeichnet sind. Ihre
von der übergeordneten Autorität festgelegte Kompetenz ist
ein Pflicht- oder Rechtskreis, den sie mit Normen auszufüllen
hat, die letzten Endes der übergeordneten Autorität zuzurechnen
sind, zumal sie jederzeit durch diese aufgehoben werden können.
In diesem Falle — man denke etwa an das Verhältnis von
Gesetz und Verordnung im Einheitsstaate — liegt somit nur
scheinbar die Konkurrenz zweier Autoritäten vor. Eine solche ist