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ist), sondern umgekehrt das ganze Gesetzesrecht nur als Gewohn-
heitsrecht gelten lassen will, d.h. den Geltungsgrund und die Au-
torität des Gesetzesrechtes nur in der Gewohnheit erblickt. Daß
solches nicht ohne höchst problematische Fiktion möglich, gehört
in einen anderen Zusammenhang.
Der Konkurrenz von Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht ist
in mancher Richtung analog die Beziehung zwischen Reichsgesetz
und Landesgesetz im zusammengesetzten Staate..e Nimmt man
von vornherein eine Verschiedenheit der normsetzenden Autori-
täten an, unterscheidet man zwischen dem Reichs- und dem Lan-
desgesetzgeber in formaler und materieller Beziehung, dann unter-
scheidet sich die fragliche Relation von der zwischen Gesetzes- und
Gewobnheitsrecht hauptsächlich dadurch, daß sich die Normkon-
kurrenz nicht auf das ganze räumliche Geltungsgebiet beider Sy-
steme erstreckt, sondern lediglich innerhalb eines Teils des Reichs-
gesetzgebietes vor sich geht. Setzt man eine vollkommene
Koordinierung der Reichs- und der Landesgesetzgebung voraus,
d. h. läßt man beide als oberste souveräne und mit Kompetenz-
hoheit begabte normsetzende Autoritäten gelten. dann kann na-
turgemäß von einer rechtslogischen Lösung des unvermeidlichen
Normenkonfliktes keine Rede sein. Der Grundsatz lex posterior etc.
kann als rechtslogisches Prinzip keine Anwendung finden. Und
soferne die Staatseinheit in der juristischen Konstruktion gegeben
sein soll, d. h. die juristische Einheit des Staates in der Einheit
der Rechtsordnung gegeben ist, kann bei einem derartigen Ver-
hältnis von Reichs- und Landesgesetzgebung, bei der zwei von-
einander unabhängige Rechtsnormsysteme zu unterscheiden sind,
die Verbindung der die einzelnen Landesgesetzgebungen tragen-
den Gliedstaaten mit dem Träger der Reichsgesetzgebung zu einem
einheitlichen Oberstaate nicht erkannt werden.
Eine rechtslogische Lösung des Konfliktes beider Normsysteme
und damit die juristische Einheit der normtragenden oder norm-
setzenden Autoritäten ist nur denkbar bei einem Ueber- und Unter-