Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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andere Frage, von deren Lösung es abhängt, bei welcher Instanz 
Kompetenzhoheit und Souveränität liegt. 
S4 Reichs- und Landesgesetznach dem 
Oktoberdiplom von 1860. 
Durch das Oktoberdiplom von 1860 hat der bis dahin abso- 
lute Monarch seine gesetzgebende Gewalt auf mehrere norm- 
setzende Autoritäten übertragen: die Landesgesetzgeber auf der 
einen Seite, den Reichsgesetzgeber auf der anderen. Es muß 
mit Nachdruck hervorgehoben werden, daß die gesetzgebende 
Gewalt des absoluten Monarchen im Oktoberdiplom restlos 
auf diese konstitutionellen Autoritäten übertragen wurde, daß von 
irgendeiner dem Monarchen allein reservierten Gesetzgebung keine 
Rede sein kann. Ausdrücklich wırd erklärt, daß das Recht, 
Gesetze zu geben, abzuändern und aufzuheben auf den Reichs- 
rat in Verbindung mit dem Monarchen, resp. die mit dem Monar- 
chen verbundenen Landtage übergehen soll. Der Begriff „Gesetz“ 
kann in diesem Zusammenhange natürlich nur im materiellen 
Sinne des Wortes: rechtsverbindliche Nornı, verstanden werden; 
Rechtsnormen sollen in Hinkunft nur in konstitutioneller 
Weise gesetzt werden. Die mitunter zur Rechtfertigung einer 
den Monarchen allein reservierten primären Normierungskompetenz 
vertretene Interpretation des Wortes „Gesetze* im formellen 
Sinn von sanktionierten Parlamentsbeschlüssen, derzufolge der 
absolute Monarch nur auf das Recht Gesetze im formellen 
Sinn zu geben verzichtet hätte, ihm somit Setzung aller Rechts- 
normen, die keiner Gesetzesform bedürfen, reserviert geblieben 
wäre, ist sinnlos!®. Denn erstens gab es im Augenblick des Ok- 
toberdiploms noch gar keine formellen Gesetze. Der Monarch 
spricht aber von seinem ihm bisher schon zustehenden Rechte, 
13 Vgl. dazu mein: Zur Lehre vom Gesetz im formellen und materiel- 
len Sinne mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Verfassung. 
Jurist. Blätter 1913, Nr. 20.
	        
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