Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Gesetze zu geben. Unter den Gesetzen, die er bisher geben 
konnte, können aber nur materielle zu verstehen sein, d. h. eben 
schlechtweg Rechtsnormen, da der Begriff des formellen Gesetzes 
erst durch die Schaffung der Konstitution möglich wurde. Zwei- 
tens wäre es eine leere Tautologie, wenn der Monarch versprechen 
würde, in Hinkunft formelle Gesetze, d. h. sanktionierte Parla- 
mentsbeschlüsse nur in Verbindung mit den Parlamenten zu geben, 
d. h. sanktionieren zu wollen. Schließlich geht die Absicht, die 
Rechtsnormierung gänzlich und restlos in die konstitutionelle Form 
zu kleiden, auch daraus hervor, daß im Abs. III nach Aufzählung 
der Kompetenzen des Reichsrates „alle anderen Gegen- 
stände der Gesetzgebung, welche in den vorhergehenden 
Punkten nicht enthalten sind“, den Landtagen zugewiesen werden. 
Die Interpretation des Wortes „Gesetzgebung“ im formellen Sinne 
wäre in diesem Zusammenhange nur dann möglich (und nur dann 
könnte behauptet werden, daß nicht alle Rechtsnormierung in 
konstitutioneller Form zu erfolgen habe), wenn das Oktoberdiplom 
die „Gegenstände einer formellen Gesetzgebung“ irgendwie von 
denen einer bloß materiellen Gesetzgebung, einer dem Monarchen 
reservierten Verordnungsgewalt abgegrenzt hätte, oder eine solche 
Grenze als irgendwo gegeben hätte voraussetzen können. Das ist 
aber keineswegs der Fall. Das Oktoberdiplom hat das oberste 
konstitutionelle Prinzip: jede Rechtsnorm hat in Form des Ge- 
setzes (als formelles Gesetz) zu erscheinen, rein zum Ausdruck 
gebracht. 
Zwischen Reichsrat und Landtagen (beide in Verbindung mit 
dem Monarchen) ist die gesamte gesetzgebende Gewalt aufgeteilt. 
Wie verhält sich aber die Reichsgesetzgebung zur Landesgesetz- 
gebung nach den Bestimmungen des Oktoberdiploms? Auf den 
ersten Anblick könnte es den Anschein haben, als ob die Reichs- 
gesetzgebung nur als Delegat der Landesgesetzgebungen gedacht 
gewesen wäre. An erster Stelle erklärt der Monarch sein Gesetz- 
gebungsrecht mit den Landtagen teilen zu wollen und nur an
	        
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