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mung des Oktoberdiploms in Zweifel gezogen werden kann,
so muß doch insoferne ein gewisses Uebergewicht der Land-
tage über den Reichsrat und speziell den engeren Reichsrat
zugegeben werden, als nach der ausdrücklichen Vorschrift des
Oktoberdiploms (Ill, 3. Absatz) die Landtage wenigstens
die Möglichkeit haben, ihre Kompetenz zugunsten des Reichs-
rates einzuschränken. „Eine gemeinsame Behandlung (durch den
engeren Reichsrat) kann auch stattfinden, wenn eine solche in
betreff' der der Kompetenz des Reichsrates nicht vorbehaltenen
Gegenstände von dem betreffenden Landtage gewünscht und be-
antragt werden sollte“. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß
den Landtagen auf ihre und des Reichsrates Kompetenz ein Ein-
fluß eingeräumt werden sollte, der dem Reichsrate völlig fehlte;
und es sollte eine solche Kompetenzeinschränkung des Landtages und
Kompetenzerweiterung des Reichsrates nicht einmal eines (Landes-)
Gesetzes bedürfen! Ein bloßer „Antrag“, d. h. offenbar ein Beschluß
des Landtages war für genügend angesehen. Des weiteren muß daraus
aber auch geschlossen werden, daß die Verfasser des Oktoberdiploms
zumindest der Meinung waren, den Landtagen keine Kompetenz-
Kompetenz eingeräumt zu haben, sonst hätte es ja dieser Bestim-
mung nicht bedurft. Ob die Absicht in dem tatsächlichen Texte
des Diploms mit juristisch tauglichen Mitteln realisiert wurde, ist
eine andere Frage. Sicher ist, daß die zweifellos vorhandene Ab-
sicht, die Kompetenz des Reichsrates, wie sie einmal im Oktober-
diplom festgelegt war, sei in Hinkunft nicht einzuschränken, sondern
höchstens auszudehnen, äußerst ungeschickt zum Ausdruck gebracht
wurde. Denn man konnte — mit Rücksicht auf die vorhandenen
föderalistischen Tendenzen — die Kompetenzhoheit des in seiner ma-
teriellen Kompetenz auf ein Existenzminimum beschränkten Reichs-
rates nicht aussprechen, konnte aber auch nicht den Schein der
Möglichkeit vermeiden, daß den Landtagen diese Kompetenzhoheit
allein zukomme. Da man die staatsrechtlichen Konsequenzen der
letzteren Konstellation nicht hätte akzeptieren können, wäre nur