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des Reichsrates nicht, wie dies geschehen ist, nur durch ein qualifi-
ziertesReichsgesetz, sondern auch durch ein jüngeres Landesgesetz
aufgehoben werden könne; und ebenso hätten auch die Landesord-
nungen die Aenderung ihrer Kompetenznormen durch ein Reichs-
gesetz ausdrücklick für möglich erklären müssen. Dies ist nicht
geschehen und der damit zu erzielende Erfolg kaum als Absicht des
Februarpatentes anzunehmen, dessen Verfasser die Möglichkeit eines
Konfliktes zwischen Reichs- und Landesgesetzgebern und die Not-
wendigkeit seiner juristischen Lösung um so weniger in Rech-
nung gezogen haben mögen, als sie der damit verbundenen Fi-
xierung des staatsrechtlichen Verhältnisses zwischen Reich und
Land soweit als möglich aus dem Wege gehen wollten. Daß man
bei der zentralistischen Tendenz, die in der materiellen Kompe-
tenzaufteilung des Februarpatentes zum Ausdruck kommt, eher einen
Vorrang des Reichsrechtes vor dem Landrechte (im Sinne des
Bundesstaates) und damit die ausschließliche Kompetenzlioheit der
Reichsgesetzgebung im Auge halte, ist möglich, allein für die ju-
ristische Interpretation bedeutungslos, weil diese Vorstellung in der
Verfassung tatsächlich nicht realisiert wurde. Vielleicht auch
deshalb, weil man sich der Notwendigkeit einer juristisch legis-
lativen Lösung der Frage nicht recht bewußt war und vielleicht
auch gar nicht über die erforderliche juristisch-legislative Technik
verfügte. Die Verfasser des Februarpatentes standen staats-
rechtJich vor derselben Aufgabe, wie etwa 1870 Bismarck bei
Konzeption der Verfassungsurkunde des Deutschen Reiches. Auch
hier wurde eine zwischen Reichs- und Landesgesetzgebung geteilte
Legislative konstituiert. Aber gleich an der Spitze der Verfas-
sungsurkunde (Art. 2) wurde das Verhältnis der gesetzgebenden
Gewalten fixiert: durch den Grundsatz, Reichsrecht bricht Land-
recht, dem Reiche die Kompetenzhoheit unzweideutig vorbehalten.
Die Unzulänglichkeit der juristischen Schulung, der Mangel
einer klaren Erkenntnis der durch das Februarpatent geschaffenen
juristischen Situation zeigt sich deutlich in den Verhandlungen