Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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des Reichsrates, der auf Grund des Februarpatentes in Funktion 
trat. Zwar wird immer wieder die Frage erörtert, ob der Reichs- 
rat oder die Landtage zur Regelung irgendeiner Angelegenheit 
auf Grund des Februarpatentes kompetent seien. Aber die Frage, 
ob der Reichsrat die ihm im Februarpatent gezogene Grenze ab- 
ändern könne, und wie eine solche die Kompetenz der Landtage 
tangierende Reichsverfassungsänderung möglich wäre, die auch vom 
Standpunkte der Landesverfassungen ihre Gültigkeit behielte, blieb 
außer aller Diskussion. Aeußerst charakteristisch ist in dieser Hin- 
sicht die Debatte, die anläßlich der Beratung des Immunitätsge- 
setzes vom 3. Oktober 1861 ım Abgeordnetenhause und im Herren- 
hause des Reichsrates abgeführt wurde. Die Regierung hatte dem 
Reichsrate eine Gesetzesvorlage betreffend die Unverantwort- 
lichkeit und Unverletzlichkeit der Mitglieder des Reichsrates und 
der Landtage eingebracht, obgleich sich mehrere Landtage 
für die Statuierung der Immunität ihrer Mitglieder durch Bean- 
tragung von bezüglichen Landesgesetzen für kompetent erklärt 
hatten. In der darüber abgeführten Debatte des Herrenhauses wie 
des Abgeordnetenhauses wurde — und diese Tatsache verdient 
hervorgehoben zu werden — allgemein anerkannt, daß eine Aen- 
derung der Landesordnungen nur durch ein Landesgesetz erfolgen 
könne. Auch diejenigen, welche die Immunität der Landtagsab- 
geordneten durch ein Reichsgesetz statuiert wissen wollten, be- 
gründeten die Kompetenz des Reichsrates darauf, daß es sich nicht 
um ein Verfassungsgesetz, sondern um ein Justizgesetz handle, das 
die Landesordnungen nicht berühre, um Ausnahmen von dem allge- 
meinen Strafgesetze und der Strafprozeßordnung, deren Normierung 
nach dem Recht der Landesordnungen nicht in die Kompetenz der 
Länder falle'*. Daß durch Reichsgesetz die Kompetenz der Länder er- 
  
1# So der Berichterstatter des Abgeordnetenhauses Dr. KAISER (vgl. 
Sten. Protokolle d. H. d. Abg. 1862 S. 144 und 170) und der Berichterstatter 
des Herrenhauses Frhr. v. LIOHTENFELS (Sten. Prot. des Herrenhauses 1862 
S. 91).
	        
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