Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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weitert oder eingeschränkt werden könnte, wurde damals noch nicht 
ausgesprochen. Doch herrschten über die Möglichkeit einer Kom- 
petenzänderung höchst unklare Vorstellungen. Während allgemein 
und ohne Widerspruch anerkannt wurde, daß das Grundgesetz 
über die Reichsvertretung nur durch Reichsgesetz, die Landesord- 
nungen nur durch Landesgesetz abgeändert werden können, scheint 
einer der hervorragendsten Juristen des Abgeordnetenhauses, Dr. 
v. MÜHLFELD, der Meinung gewesen zu sein, die durch das Fe- 
bruarpatent gezogene Grenze sei in Zukunft nnabänderlich. We- 
nigstens erklärte er in der Debatte über das Immunitätsgesetz: 
„Mit diesen Landesordnungen werden auch künftig die Reichsge- 
setze nicht in Widerspruch treten dürfen. Aber umgekehrt werden 
auch die Landesordnungen nielıt entwickelt und abgeändert werden 
dürfen in einem den Reichsgesetzen widersprechenden Sinne“ ”. 
» Vgl. die Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses 1862 S. 148. In der- 
selben Rede und zwar unmittelbar vor den oben zitierten Sätzen führt 
Dr. v. MÜHLFELD den merkwürdigen Gedanken aus, die Erlassung eines 
Reichsgesetzes betr. die Immunität der Landtagsabgeordneten (aus dem 
Titel der Justizgesetzgebung) ließe es den Landtagen unbenommen, die 
gleiche Materie aus dem Titel der Verfassungsgesetzgebung zu normieren! 
Die Bestimmungen die Immunität betreffend, so führt der Redner aus, „ge- 
hören in die Justizgesetzgebung und diese ist Sache des engeren Reichs- 
rates; andererseitsist dadurch den einzelnen Landtagen 
nichts benommen, denn sie können eine erhöhte Garantie durch 
dieAufnahmeindieLandesordnungen beschließen und 
derselben die Sanktion Seiner Majestät des Kaisers verschaffen.“ Schon der 
Abgeordnete Dr. PRAZAK, der im Gegensatz zu MÜHLFELD den Landtagen 
die Kompetenz zur Statuierung der Immunität ihrer Mitglieder zusprach, 
hatte sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Erlassung eines Reichs- 
gesetzes betr. die Immunität der Landtagsabgeordneten die Erlassung von 
Landesgesetzen über die gleiche Materie keineswegs überflüssig mache. 
Er hatte die Vorstellung, daß das Reichsgesetz durch Landtagsbeschluß 
„anzunehmen“ und „in die Verfassungsurkunde des Landes einzureihen“ sei. 
Er sah jedoch sofort voraus, daß die Regelung derselben Materie durch 
zwei unabhängige Autoritäten zu schweren Konflikten führen könne und 
müsse. „Kaum ein Landtag würde in unveränderter Form das hier be- 
schlossene Gesetz annehmen und bloß den Antrag stellen, es in seine Ver- 
fassungsurkunde einzureihen. Und würden die Landtage auch diesen An-
	        
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