Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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86. Reichs- und Landesgesetz nach der Dezem- 
berverfassung von 1867. 
Das Februarpatent, das zuerst die Grenze zwischen Reichs- 
und Landesgesetz gezogen hatte, war mit allen seinen Beilagen 
die einseitige Norm eines absoluten Monarchen, der seine legisla- 
tive Gewalt auf zwei konstitutionelle Gesetzgeber übertrug. Da 
keinem von beiden die Kompetenzhoheit ausschließlich übertragen 
wurde, vielmehr nach den ausdrücklichen Bestimmungen des 
Februarpatentes, resp. seiner Beilagen sowohl der leichsgesetz- 
geber als auch die Landesgesetzgeber Kompetenz erhielten, die 
ihnen durch den absoluten Monarchen zugewiesene Kompetenz 
nunmehr jeder für sich selbst zu regeln, war 
trag stellen wollen, so müßte doch dieser Gegenstand nochmals in 18 Land- 
tagen verhandelt werden müssen; warum soll also nicht im ganzen Umfange 
das Gesetz der Votierung den Landtagen überlassen werden.“ (Sten. Prot. 
S. 146). Von Seite eines Autonomisten, wie PRAZAK es war, ist eine solche 
Auffassung durchaus begreiflich. Was kümmert den Landesgesetzgeber die 
Tatsache, daß der Reichsgesetzgeber seine Kompetenz auf Kosten des Landes 
auszudehnen versucht; solange die fragliche Materie, die auf Grund der 
Landesordnung in die Kompetenz des Landtags gehört, durch kein Landes- 
gesetz geregelt ist, ist sie eben vom Standpunkt der Landesverfassung 
überhaupt nicht geregelt, ob darüber nun ein Reichsgesetz besteht oder 
nicht. Die Auffassung entspricht im übrigen einer streng juristischen 
Interpretation des Februarpatentes und ist, wenn sie auch im Interesse der 
Autonomisten liegt, dennoch ohne Rücksicht auf irgendeine politische Ten- 
denz gerechtfertigt. Daß sich ein Zentralist wie MÜHLFELD ihr anschließt, ist 
allerdings merkwürdig, unverständlich jedoch, daß er den weittragenden 
Konsequenzen derselben dadurch ausweichen zu können glaubt, daß er die 
Meinung ausdrückt, die Landtage würden das Reichsgesetz unverändert in 
ihre Verfassung aufnehmen, weil ein Reichsgesetz durch ein Landesgesetz 
nicht abgeändert werden dürfe. Wozu dann überhaupt die Aufnahme eines 
Reichsgesetzes in die Landesverfassung? „Zum Behufe einer erhöhten 
Garantie“, wie MÜHLFELD sagt, einer Garantie wogegen? Offenbar gegen 
eine Abänderung durch Landesgesetz. Gerade eine solche soll aber nach 
MÜHLFELD unmöglich sein! Auch der Abgeordnete Dr. TAscHEk erklärte, 
das Reichsimmunitätsgesetz sei, soweit es sich auf die Stellung der Land- 
tagsabgeordneten beziehe, von jedem Landtage „für sich als Gesetz anzu- 
erkennen und in seine Landesordnung einzureihen“. (Sten. Prot., S. 154.)
	        
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