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Daß diese Lösung in dem Verhältnis zwischen dem einen
Reichsgesetzgeber und den zahlreichen Landesgesetzgebern prak-
tisch-politisch undurchführbar war, bedarf keiner
weiteren Erörterung! Das ändert aber für die juristische
Erkenntnis nicht das geringste an dem Urteil, daß die Februar-
verfassung, sofern man eben ganz auf ihrem Boden bleiben wollte,
keine andere Lösung bot.
Der vom Verfassungsausschusse des Abgeordnetenhauses aus-
gearbeitete Entwurf der Abänderung des Grundgesetzes über Reichs-
vertretung vom 26. Februar 1861 wurde vom Reichsrate mit un-
wesentlichen Veränderungen angenommen und durch die kaiserliche
Sanktion zum Gesetze erhoben. Das so abgeänderte Grundgesetz
über die Reichsvertretung steht bezüglich seiner Kompetenzvor-
schriften noch heute unverändert neben den in diesem Punkte
gleichfalls unveränderten Landesordnungen in Geltung. Gegen-
über dem früheren Zustand ist insoferne eine Veränderung einge-
treten, als der Reichsrat seine Kompetenz auf die ım $ 11 des
Reichsvertretungsgesetzes taxativ angeführten Angelegenheiten
eingeschränkt hat; die Landtage haben dagegen ihre alten durch
die Landesordnungen gezogenen Kompetenzgrenzen weiterbehalten,
eine der Einschränkung der BReichskompetenz entsprechende Er-
weiterung ihrer Kompetenz ist mangels entsprechender, die Lan-
desordnungen abändernder Gesetze vom Standpunkt der Landes-
verfassung nicht gültig erfolgt, da der Reichsgesetzgeber durch
Reichsgesetz eben nur seine, nicht aber die Kompetenz des Lan-
desgesetzgebers bestimmen kann. Für diejenigen Angelegenheiten,
die 1867 aus der Kompetenz des Reichsrates ausgeschieden wur-
den, ist derzeit, sofern man die Landesordnungen von 1861 neben
dem 1867 abgeänderten Grundgesetze über die Reichsvertretung im
Sinne der herrschenden Auffassung für gültig voraussetzt, de jure
weder der Reichs- noch der Landesgesetzgeber kompetent. Beide
können freilich jederzeit durch verfassungsändernde Gesetze ihre
Kompetenz auf dieses Gebiet und auch darüber hinaus in das von
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