Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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dem anderen heute noch ausschließlich beanspruchte Gebiet ausdehnen. 
Denn die Kompetenzhoheit steht nach wie vor dem Landes- und 
dem Reichsgesetzgeber zu. Für den letzteren hat sie das abgeänderte 
Reichsvertretungsgesetz nunmehr im $ 15 Abs. 7 womöglich noch 
schärfer als vordem festgesetzt. Angesichts dieser beiderseits be- 
stehenden Kompetenzhoheit bedeuten die Kompetenzeinschränkun- 
gen, die sich der Reichsgesetzgeber im Grundgesetz über die 
Reichsvertretung, die Landesgesetzgeber in den Landesordnungen 
auferlegt haben, juristisch nichts anderes, als daß Gesetze über 
Materien außerhalb dieser Grenzen nur unter der Garantie von 
Reichs- resp. Landesverfassungsänderungen zu erlassen seien. Bei 
einem Konflikt zwischen Reichs- und Landesgesetzgeber gilt eben 
vom Standpunkt der Reichsverfassung das Reichsgesetz, vom 
Standpunkt der Landesverfassung das Landgesetz. Das der Rechts- 
ordnung unterworfene Subjekt steht vor einem rechtslogisch un- 
lösbaren Pflichtenkonflikt. Wie schon früher ausgeführt, kann 
zwischen Normen souveräner, mit Kompetenzhoheit begabter ge- 
genseitig unabhängiger Legislativen der Grundsatz lex posterior 
derogat priori als rechtslogisches Prinzip keine Anwendung finden. 
Dies alles ist Rechtens, sofern man sowohl das Grund- 
gesetz über die Reichsvertretung als auch die Landesordnungen 
samt ihrer gemeinsamen Basis, dem Februarpatent, als gültige Nor- 
men voraussetzt. Tatsache dagegen ist, daß man zwar das 
Februarpatent mit seinen zum Teile abgeänderten Beilagen als 
gültige Norm vorauszusetzen behauptet, daß mıan aber dennoch 
durch das Reichsgesetz, wodurch das Grundgesetz über die Reichs- 
vertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, nicht bloß die 
Kompetenz des Reichsrates, sondern auch die der Landtage für 
gültig abgegrenzt ansieht, so daß insbesondere die Landtage selbst 
dieses von der Reichsgesetzgebung ihnen zugewiesene Gebiet mit 
einfachen Landesgesetzen regeln, ohne eine Verfassungsänderung 
für notwendig zu erachten. Tatsache ist ferner, daß, im Falle 
ein Reichsgesetz einem Landesgesetz widerspricht oder umgekehrt,
	        
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