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Ueber die außerberufliche Immunität der
Abgeordneten nach russischem Recht.
Von
Dr. LEO CHALLANDES, Professor in Juriew (Dorpat).
I.
Das Statut der Reichsduma widmet der außerberuflichen Im-
munität zwei Artikel (15 und 16)!. Diese Artikel lassen aber
manches zu wünschen übrig, denn weder ist ihr genauer Sinn
deutlich genug ausgesprochen, noch tritt ihr gegenseitiges Ver-
hältnis klar zutage. Dank diesem Umstande sind denn auch in
der Presse und in der Reichsduma erbitterte Kämpfe entbrannt,
die noch dadurch an Schärfe zunahmen, daß die betr. Fragen
jedesmal ad hominem entschieden werden mußten.
Die in Art. 15 enthaltene Bestimmung findet sich schon im
Statut vom 6. August 1905. Die Verfasser dieses Statutes brach-
ten dieses Privileg in Zusammenhang mit der den Reichsduma-
abgeordneten gewährten vollen Freiheit der Urteils- und Meinungs-
äußerung. So lesen wir in der erläuternden Denkschrift des
Ministers des Innern?: „Außerdem erhebt es die Stellung der
Reichsdumaabgeordneten, von denen sowohl die oberste Gewalt,
—
1 Art. 27 des Statutes des Reichsrates dehnt die Geltung dieses Privi-
legs auch auf die gewählten Glieder des Reichsrats aus.
? Materialien zur Organisation der Reichsduma (russisch), 1905, S. 144°.